Frédéric Chopin hat das Klavier neu erfunden. War es bei Beethoven ein Medium, die Komplexität des Sinfonischen auf ein einzelnes Instrument zu übertragen, und führten es die Romantiker in ein Traumreich der musikalischen Fantasie, so verband der polnische Komponist die Aspekte des Ästhetischen und Intellektuellen mit der Welt der Emotion und des Tanzhaften in einer Weise, die neue Gattungen zu ihrem Zenith führte. Mit „The Art Of Chopin“ melden sich einige der wichtigsten Pianisten der Gegenwart und der vergangenen Jahrzehnte zu Gehör, um diesem Genius und seiner Kunst zu huldigen. Es ist eine Geburtstagsbox, die ausschließlich aus Highlights besteht, von Koryphäen wie Martha Argerich und Maurizio Pollini bis hin zur opulenten grafischen Gestaltung durch den Künstler Olaf Hajek.
Eines seiner Meisterstücke hat den Aufbruch sogar im Titel. „Revolutions-Etüde“ heißt die „Etüde in c-Moll op.10, Nr.12“ und bezieht sich eigentlich auf die kulturelles Stimmung ihrer Zeit. Sie könnte aber auf für die innermusikalischen Innovationen stehen, die Frédéric Chopin in die Welt der klassischen Klavierklänge einführte. Denn da gab es nicht nur neue oder neu gedeutete Stilformen wie die Polonaise, die Mazurka oder das Nocturne, die nun zu besonders konzentrierten Ausdrucksmöglichkeiten pianistischer Intensität avancierten. Chopin krempelte vielmehr vollständig Harmonik und Rhythmik seines Instruments um, so dass seine Klangwelt bis heute zahlreiche Musiker inspiriert. „Sie wollen wissen, wie ich meine Chords so offen gestalten kann?“, meint beispielsweise Stings Gitarrist Dominic Miller, „das Geheimnis ist: Ich versuche, Chopin-Akkorde vom Klavier auf die Gitarre zu übertragen.“ Denn die Besonderheit Chopin’scher Musik besteht in ihrer unmittelbaren Verbindung zur Emotion des Interpreten wie des Zuhörers. Schon Heinrich Heine schrieb 1857 über die Aura dieser Komponisten: „Er strebt nach einem besseren Lorbeer. Seine Finger sind nur Diener seiner Seele, und diese wird applaudiert von Leuten, die nicht bloß mit den Ohren hören, sondern auch mit der Seele“.
„The Art Of Chopin“ repräsentiert daher auch die Kunst, über sich hinaus zu reichen. Und diese Eigenschaft ist allen Künstlern gemeinsam, die sich auf der opulent gestalteten Doppel-CD einfinden, mit der die Deutsche Grammophon dem Komponisten, dessen Geburtstag sich in wenigen Wochen zum 200. Mal jährt, die Reverenz erweist. Alle sind sie dabei, die Klavier-Koryphäen des vergangenen Jahrhunderts wie Svjatoslav Richter, Vladimir Horowitz, Friedrich Gulda, Emil Gilels und Arturo Benedetti Michelangeli, die Autoritäten der Gegenwart wie Martha Argerich, Maurizio Pollini, Vladimir Ashkenazy, Daniel Barenboim, Nelson Freire, Ivo Pogorelich und Mikhail Pletnev, aber auch die Hoffnungsträger der „Next Generation Chopin“ wie Lang Lang, Hélène Grimaud, Rafał Blechacz und Alice Sara Ott. Alle sind angetreten, um dem Genie des Klangfarbenzaubers auf ihre jeweilig eigene Art musikalisch zu gratulieren.
Durch diese Vielfalt der Generationen und Charaktere entsteht ein abwechslungsreiches Panoptikum der Interpretationsansätze, die vom heroischen Impetus eines Horowitz über die Abstraktion eines Gulda und die Sublimierung eines Michelangeli bis zur tiefen Emotion eines Blechacz und der subtilen Kraft einer Alice Sara Ott reicht. Herausgegeben wird die Zusammenstellung mit einer weiteren Besonderheit. Denn für die Covergestaltung von „The Art Of Chopin“ konnte der renommierte, vielfach ausgezeichnete Künstler und Grafiker Olaf Hajek gewonnen werden, der bereits für die New York Times, das SZ Magazin oder auch das Kulturmagazin Cicero Illustrationen schuf. Sein Chopin ist von einem Kranz umgeben, der neben Rosen, Sonne und Regenbogen unter anderem auch in ein blutendes Herz mündet – eine poetische Metapher für das, was die Musik des Komponisten bedeuten und bewirken kann. Denn kein anderer Komponist schaffte es, Menschen derart nachhaltig in ihrem Inneren zu bewegen.