Als Joe Wright die transparenten und ungekünstelten Interpretationen der Klavieretüden von Philip Glass hörte, die Víkingur Ólafsson 2016 für sein Debütalbum beim gelben Label eingespielt hat, stand für den Filmregisseur fest, dass der isländische Pianist für den Soundtrack seines Films “The Darkest Hour” an den Tasten sitzen musste. Joe Wright hat bereits 2005 für den Soundtrack zu “Pride and Prejudice” mit dem renommierten Filmkomponisten Dario Marianelli zusammengearbeitet und über 650.000 Exemplare des Albums verkauft. In Víkingur Ólafsson haben die beiden kreativen Köpfe einen kongenialen Partner gefunden, der die musikalischen Visionen an den Tasten zum Leben erweckt. Inhaltlich widmet sich das historische Filmdrama der frühen Amtszeit des britischen Premierministers Winston Churchill in den Wochen vor der Evakuierung von Dünkirchen. Dario Marianelli hat die Musik perfekt auf die komplexe Handlung abgestimmt und verleiht Churchills Tatkraft und seinem starken Charakter klangliche Gestalt.
Mit dem Filmprojekt hat sich der isländische Pianist einer künstlerischen Herausforderung gestellt, denn er gibt mit “The Darkest Hour” ein weiteres Debüt, diesmal in der Welt der Filmmusik. Dabei ist er hörbar in seinem Element und erweitert mit überzeugender Ausdruckskraft sein musikalischen Portfolio. Die Aufnahmen für “The Darkest Hour” sind in Anwesenheit des Regisseurs in London entstanden. Dort hat sich Vikingur Ólafsson während des Spielens über Kopfhörer die Dialoge der Filmszenen angehört, um so intensiv wie möglich in die Atmosphäre der Handlung einzutauchen und der jeweiligen Stimmung an den Tasten Ausdruck zu verleihen. So ist es Víkingur Ólafsson mit meisterhafter Perfektion gelungen, Gary Oldmans schauspielerisches Können durch die Musik noch einmal zu unterstreichen und die Sprachmelodie einzelner Sätze durch hochsensible Klanggestaltung zum Leuchten zu bringen. Musik und Handlung greifen in “The Darkest Hour” mit großer Liebe zum Detail untrennbar ineinander.
Dario Marianellis Soundtrack ist von einem minimalistischen Charakter geprägt. Eingebettet in sinfonische Klänge, lässt der italienische Komponist das Klavier mit seiner harmonischen Klarheit immer wieder hervorblitzen und mit sparsamen musikalischen Mitteln ganz wesentliche Nuancen zum klanglichen Gesamtkunstwerk beisteuern. Víkingur Ólafsson erweist sich als der perfekte Interpret für diese künstlerische Umsetzung, die mit minimalen Gesten maximale Emotionen auslöst und nicht auf die Wucht einer epischen Inszenierung, sondern vor allem auf das Spiel mit Repetitionen, Spannungsbögen und einzelnen Harmonien setzt. Mal spiegeln monotone Rhythmen Churchills innere Unruhe wider, mal drückt die Wiederholung melodischer Fragmente seine unaufhaltsame Energie aus.
So wird nicht nur der Film, der Januar 2018 in die deutschen Kinos kommt, zu einem eindringlichen Erlebnis, sondern auch die puren Klänge zu den bewegten Bildern.