Die Erfahrungen des Jahres 2010 haben Mikhail Simonyan geprägt. Im Rahmen einer privaten Initiative unter dem Motto “Beethoven Not Bullets” setzt er sich gemeinsam mit dem afghanischen Bildungsministerium und der australischen Monash University für die musikalische Förderung von Kindern in Afghanistan ein, wo unter dem Regime der Taliban die Ausübung und das Hören von Musik verboten waren. Das Projekt ermöglicht den Kindern den Beginn einer Ausbildung am neu gegründeten Afghanischen Nationalinstitut für Musik in Kabul durch die Bereitstellung von Instrumenten und die Übernahme der Kosten für das erste Studienjahr. “Eine Gesellschaft ohne Musik und Kultur ist leer”, meint der Violinist. “Es geht uns um die Ausbildung einer neuen Generation. Und der Schlüssel für ihren Erfolg ist Musik.” Den Besuch vor Ort betrachtet er als große persönliche Bereicherung. Die Menschen in Afghanistan hätten ihm gezeigt, was im Leben essenziell sei.
Aufgewachsen im kulturellen Ausnahmezustand
Die Berührung mit dem kulturellen Neubeginn in Afghanistan hat Simonyan auch zu einer Reflexion über die eigene Herkunft angeregt. Er wurde 1987 als Sohn eines armenischen Vaters und einer russischen Mutter in Nowosibirsk geboren und erlebte während seiner Kindheit und Jugendjahre den Zusammenbruch der Sowjetunion. Auch hier war das kulturelle Leben zum Erliegen gekommen; die einst staatlich finanzierten musikalischen Institutionen des Landes wurden sich selbst überlassen. Simonyan erinnert sich, dass nichts mehr funktionert habe. Alle wichtigen Lehrer seien nach und nach außer Landes gegangen, weil den Konservatorien die finanziellen Mittel weggebrochen waren – ein Desaster. Im Jahr 1999 ist er dann selbst zum Studium in die USA gegangen, die er heute als zweite Heimat betrachtet.
Albumdebüt mit persönlichem Bezug
Nach zwölf Jahren in Amerika und dem wenige Monate zurückliegenden Umzug nach Berlin will Mikhail Simonyan mit dem Debütalbum “Two Souls” für Deutsche Grammophon seine kulturellen Wurzeln verorten. Dafür hat er zusammen mit seinem langjährigen Freund und musikalischen Partner, dem Dirigenten der Einspielung Kristian Järvi, die Violinkonzerte des armenischen Komponisten Aram Chatschaturjan und des Amerikaners Samuel Barber ausgewählt und im Mai 2011 gemeinsam mit dem London Symphony Orchestra aufgenommen. “Die Idee war, Werke auszuwählen, die mir wirklich am Herzen liegen und sie mit Menschen zu spielen, die mir sehr nahe stehen”, erklärt er im Gespräch. Sein Virtuosentum stelle er dabei bewusst nicht in den Vordergrund, so Simonyan. “Ich versuche, weniger das Geigerische an diesen Werken zu betonen, sondern jene Wesenszüge, die für die Kultur und Folklore ihrer Ursprungsländer stehen.”
Die Folklore Armeniens und Amerikas
Darum hat er sich entschieden, die von der sowjetischen Geigenlegende David Oistrach stammende Kadenz im ersten Satz des Chatschaturjan-Konzerts durch eine Neukomposition zu ersetzen. “Chatschaturjan ist ein durch und durch armenischer Komponist, aber in dieser Kadenz gab es keine echte armenische Musik, das sie in erster Linie Oistrachs Werk war, ein Stück für einen virtuosen Geiger. Ich wollte aber, dass sie armenisch klingt.” So beauftragte er Artur Avanesov, einen jungen armenischen Komponisten. Und auch für den oft in atemlosem Tempo genommenen dritten Satz des Barber-Konzerts hat Mikhail Simonyan eine eigene Interpretation entwickelt. “Ich habe das Tempo etwas zurückgenommen und versucht, das Ganze in die Richtung des Fiddle-Stils aus der Folk Music zu rücken.” Unverzichtbar für sein Debütalbum war schließlich Barbers Adagio for Strings. “Es ist einfach eines der schönsten Stücke der gesamten Streicherliteratur”, sagt er. Und dem können wir nur zustimmen.