Lisa Batiashvili antwortet auf die Frage, warum ihr erstes Bach-Album erst jetzt erscheine: “Weil man dafür reif oder wenigstens gereift sein muss.” Wie ein Interpret “geistig-künstlerische” Reife erwirbt, kann man bei Edwin Fischer nachlesen. Aus dem “reichen voll gefühlten Leben”, heißt es in den “Musikalischen Betrachtungen” des legendären Schweizer Pianisten, dem wir die vielleicht schönste Aufnahme von Bachs Wohltemperiertem Klavier verdanken.
Legt man diesen Maßstab an die Karriere von Lisa Batiashvili, so kann kein Zweifel bestehen: Es ist Zeit für Bach. Längst zählt die 1979 in Tiflis, Georgien geborene Geigerin zu den weltweit gefragtesten Solistinnen ihrer Generation. Sie hat mit allen großen Orchestern gespielt und genießt auch als Kammermusikerin einen ausgezeichneten Ruf. Als junges Aushängeschild der Deutschen Grammophon legt sie mit “Bach” bereits ihr drittes Soloalbum für das Label vor.
Doch die Reife dieser Künstlerin lässt sich nicht allein an ihren beruflichen Erfolgen ablesen, sondern zeigt sich vor allem in ihrem dialektischen Verständnis der Beziehung von Leben und Musik: “Das Leben nur unterwegs ist mir nicht genug, ich brauche ein Leben außerhalb des Konzertlebens”, sagt sie in einem gemeinsamen Interview mit ihrem Ehemann, dem Oboisten François Leleux. “Sie will, dass das Leben die Musik inspiriert und nicht umgekehrt”, fügt er hinzu – ganz im Sinne Edwin Fischers. Höchst bedeutsam ist es für Lisa Batiashvili etwa, viel Zeit mit ihren zwei heranwachsenden Kindern zu verbringen und eine Musikschule in ihrer Heimat Georgien zu unterstützen.
Mit ihrem neuen Album “Bach” hat Lisa Batiashvili gleich zwei lange gehegte Träume realisiert: “Bach liegt mir sehr am Herzen, es war schon lange mein Wunsch, dieses Repertoire zu spielen. Aber besonders freut es mich natürlich, dass es sich um ein gemeinsames Projekt mit meinem Mann handelt.” Sie hat neben François Leleux auch engste und vertrauteste Kollegen in die Arbeit am Album einbezogen und das Repertoire im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit ihnen ausgewählt. Johann Sebastian Bachs Violinkonzert BWV 1042 nahm sie mit den ihr bestens bekannten Musikern des Kammerorchesters des Bayerischen Rundfunks auf. Im Doppelkonzert BWV 1060R und in der Bearbeitung der Alt-Arie “Erbarme dich, mein Gott” aus der Matthäus-Passion tritt sie zusammen mit ihrem Ehemann in einen musikalischen Dialog.
Lisa Batiashvili hat auch ein Werk von Carl Philipp Emanuel Bach ausgewählt, dem berühmtesten Sohn von Johann Sebastian Bach, dessen 300. Geburtstag die Klassikwelt in diesem Jahr feiert. Man kann darin vielleicht eine Art symbolischer Manifestation der familiären Atmosphäre sehen, die bei der Arbeit an diesem äußert hörenswerten Album herrschte. In der Triosonate Wq 143 von Carl Philipp Emanuel Bach geht die Geigerin eine kongeniale kammermusikalische Verbindung zum Flötisten Emmanuel Pahud und zum Cellisten Sebastian Klinger ein.