Leonard Bernstein hat im 20. Jahrhundert musikalische Geschichte geschrieben. Dabei gab es kaum einen Bereich, den der schillernde Künstler nicht abdeckte: Er war Dirigent und Pianist, Musikvermittler und Pädagoge und schließlich der Schöpfer von legendären Werken wie der “West Side Story” oder der “Mass”. Auch wenn sich Bernstein Zeit seines Lebens nie auf ein Talent festlegte, so war es doch das Komponieren, das ihm selbst am meisten bedeutete. Zu seinem 100. Geburtstag erscheint bei Deutsche Grammophon unter dem Titel “Bernstein: Complete Works” nun eine Komplettausgabe von Bernsteins Kompositionen. Es ist die erste derart umfassende Veröffentlichung von seinen Werken überhaupt.
Der Pianist Arthur Rubinstein hat Bernstein einmal als “größten Pianist unter den Dirigenten, größten Dirigent unter den Komponisten und größten Komponist unter den Pianisten” bezeichnet – kurzum als “Universalgenie”. Was der Komponist Leonard Bernstein der Nachwelt hinterlassen hat, ist ein reicher und teilweise nur wenig bekannter Schatz. Derart facettenreich und überbordend waren die unterschiedlichen Tätigkeiten von Bernstein, dass manche seiner Kompositionen kaum die Bekanntheit erreichten, die ihnen entsprochen hätte. Mit “Bernstein: Complete Works” bietet sich den Hörern nun die faszinierende Möglichkeit, Bernsteins Tonsprache und Ausdruckskraft intensiv und vielgestaltig zu erleben. Dabei finden sich sowohl Bernsteins Kompositionen für Ballett und Oper auf den insgesamt 26 CDs als auch seine Filmmusiken, seine Werke für Orchester und Kammermusik sowie seine Vokalstücke und Kompositionen für Klavier. 3 DVDs vermitteln zudem einen unmittelbaren und packenden Eindruck von Bernstein als Dirigent seiner eigenen Werke sowie einen intimen Einblick in seine persönliche Geschichte. Ergänzt wird diese prächtige musikalische Sammlung durch ein 140 Seiten starkes Buch, das eine feinsinnige Dokumentation von Bernsteins Karriere darstellt. “Ich kann keinen Tag leben ohne Musik zu hören, sie zu spielen, zu studieren oder über sie nachzudenken”, hat Bernstein einmal gesagt. Die Gesamtausgabe seiner Werke belegt diese Urmusikalität des Komponisten auf eindrucksvolle Weise.
Leonard Bernstein hat als Komponist eine einzigartige Tonsprache entwickelt, die die stilistischen Genres und kategorischen Schubladen brillant und höchst originell außer Kraft setzte. Bernstein wollte “seine” ganz eigene Musik komponieren – eine Musik, die sich starren akademischen Regularien entzog und sich vielmehr ganz unterschiedlicher Stile und Ausdrucksmittel bediente. Mit dieser individuellen und kraftvollen Art, Musik neu zu denken und zu schreiben, hat er unzählige Komponisten und Interpreten inspiriert. Die Gesamtausgabe seiner Werke zeigt dies auf besondere Art und Weise. So ist Bernstein zum einen selbst als Dirigent und Interpret seiner Werke zu erleben, etwa bei seinen Symphonies 1–3, der “West Side Story” oder “Candide”. Zum anderen überzeugen etliche renommierte Künstler unserer Zeit mit ihren Interpretationen, darunter Thomas Hampson, Kent Nagano oder Gidon Kremer. Zusätzlich lassen sich verschiedene Neueinspielungen finden: Yannick Nézet-Séguin dirigiert"Mass", Katie Mehan präsentiert einen spannenden Überblick zu Bernsteins Klavierwerken, das Royal Philharmonic Orchestra bietet “Music for Brass & Wind Ensembles” oder Cellist Kian Soltani spielt gemeinsam mit Flötistin Lucie Horsch “Variations on an Octatonic Scale”.
Sämtliche Werke, die auf “Bernstein: Complete Works” vereint sind, spiegeln die Persönlichkeit des hingebungsvollen Musikers auf packende Weise wieder. Ob seine Ballettmusiken oder seine Sinfonien, ob seine Musicals oder seine kammermusikalischen Werke: Bernstein gelingt es, den Hörer unmittelbar, gefühlvoll und ausdrucksstark zu fesseln und zutiefst menschlich zu berühren. “Kunst ist nichts für mich, wenn sie nicht auf einer unbewussten Ebene einen Kontakt herstellt zwischen ihrem Schöpfer und dem Rezipienten”, hat Bernstein einmal gesagt. In seinen eigenen Kompositionen hat er diesen Anspruch mehr als erfüllt.