Leonard Bernstein hat die Musikgeschichte des vergangenen Jahrhunderts mannigfaltig geprägt und bereichert. Am 25. August wäre der amerikanische Pianist, Komponist und Dirigent 100 Jahre alt geworden. Die Serie Bernstein 100 würdigt Leonard Bernstein als einzigartige Künstlerpersönlichkeit und musikalisches Multitalent und stellt seine unterschiedlichsten Facetten vor.
Leonard Bernstein war ein Musiker mit Leib und Seele. Ganz gleich, ob er dirigierte oder spielte, ob er über Musik sprach oder komponierte: Er widmete sich mit kompromissloser Hingabe der Musik und schaffte es auf einzigartige Art und Weise, diese Intensität und Leidenschaft weiterzugeben. “Kunst ist nichts für mich, wenn sie nicht auf einer unbewussten Ebene einen Kontakt herstellt zwischen ihrem Schöpfer und dem Rezipienten” hat Bernstein einmal gesagt. Er selbst hat diesen Anspruch eindrucksvoll erfüllt und auch wenn er sich Zeit seines Lebens seinen unterschiedlichsten Talenten widmete, so war es doch das Komponieren, das ihm am meisten bedeutete.
Angesichts Bernsteins zahlloser Aktivitäten ist es bemerkenswert, welch großen Schatz an Kompositionen er der Nachwelt hinterlassen hat. All seine Werke zeichnet dabei eine inspirierende Tonsprache aus, die hintersinnig und tiefgründig zugleich die stilistischen Schubladen außer Kraft setzte und als im besten und ursprünglichen Sinne “originell” bezeichnet werden kann. In seinem Streben nach unmittelbarem Ausdruck und emotionaler Dichte war Bernstein für viele Komponisten nach ihm ein inspirierender Wegbereiter, dessen Einfluss bis heute anhält.
Müsste man Bernsteins Schaffen als Komponist auf nur ein Werk konzentrieren, es wäre vermutlich die “West Side Story”. Kaum ein Werk hat einen derartigen Kultstatus erreicht wie diese packende Vertonung des Romeo-und-Julia-Sujets, bei der Bernstein die meisterhafte Gratwanderung zwischen Oper und Broadway gelang. Weitere Großwerke in Bernsteins Karriere waren das Musical “Candide” oder das eindrucksvolle Musiktheaterstück “Mass”, in dem Bernstein vom Jazz bis zur Zwölftontechnik unterschiedlichste Stilrichtungen des 20. Jahrhunderts verarbeitete. Neben den großen bekannten Werken finden sich in Bernsteins Biografie zudem zahlreiche musikalische Kleinode, die seine kompositorische Brillanz und Originalität eindrucksvoll widerspiegeln. Da ist zum Beispiel die Filmmusik zu “On the waterfront”, einem dramatischen Film von Elia Kazan mit Marlon Brando in der Hauptrolle. Die starken Bilder und intensive Gefühlszustände des Dramas übersetzte Bernstein in packende Musik, die spannungsgeladen und dicht auskomponiert mit subtiler Kraft in den Bann zieht. Später verarbeitete er die Filmmusik zu einer symphonischen Suite mit sechs Sätzen. Dann ist da die farbenreiche Schauspielmusik “Peter Pan”, die ursprünglich für das gleichnamige Broadway-Musical von 1950 komponiert wurde und später als eigenständiges Werk zum Tragen kam. Der launige fünfteilige Liederzyklus mit dem herausfordernden Titel “I hate music”, offenbart Bernsteins humorvolle Persönlichkeit. Der Komponist widmete dieses Werk dem befreundeten Künstler Edys Merrill, mit dem er sich eine Wohnung in New York teilte und der angesichts von Bernsteins stundenlangem Üben immer wieder lautstark seinen Widerwillen gegenüber diesen musikalischen Eskapaden äußerte. Was Bernstein daraus machte, ist gleichwohl ein einnehmender, ebenso eingängiger wie raffinierter Genuss.
Bei Deutsche Grammophon erscheint anlässlich von Bernsteins 100. Geburtstag unter dem Titel “Bernstein: Complete Works” eine Gesamtausgabe der Werke des amerikanischen Komponisten, die einen eindrucksvollen Überblick über die Vielfalt seines Schaffens vermittelt. Vom Musical bis zur “Messe”, vom Liederzyklus bis zur Kammermusik reicht die breite Palette der Aufnahmen, die Bernsteins brillante Kunstfertigkeit offenbart und seiner Identität als Komponist ein würdiges Denkmal setzt.