Sie ist reich beschenkt worden. Gundula Janowitz hat alles mit auf den Weg bekommen, was man als ausdrucksstarke Opernsängerin braucht: eine kristallklare Stimme, schauspielerische Begabung und ein hohes Maß an Herzensbildung.
Was auch immer die 1937 in Berlin geborene Opern-, Oratorien- und Konzertsängerin anfasste, es verwandelte es sich zu Gold. Gundula Janowitz besaß die seltene Fähigkeit, mit Musik zu verschmelzen, ohne die Kontrolle zu verlieren. Hingabe und Souveränität hielten sich bei ihr die Waage, und diese Perfektion, diesen ebenso beherrschten wie leidenschaftlich empfundenen Gesang bewunderte nicht zuletzt Herbert von Karajan an der außergewöhnlichen Sängerin.
Der Stardirigent zählte die in Graz aufgewachsene und am dortigen Steiermärkischen Konservatorium ausgebildete Sängerin, die bereits mit Anfang 20 in angesehenen Ensembles sang, zu seinen Lieblingssopranistinnen. Legendär: Seine Aufnahme der “Vier letzten Lieder” von Richard Strauss mit einer romantisch aufs Ganze gehenden Gundula Janowitz. Wer gefühlsstarke Lieder schätzt, der wird hier mit einer sagenhaften Interpretation beschenkt, die zu den größten des 20. Jahrhunderts zählt.
Aber das Betätigungsfeld von Gundula Janowitz reicht sehr viel weiter. Es erstreckt sich von geistlichem Repertoire über das romantische Kunstlied bis hin zu Oper und Operette. Die soeben erschienene Edition mit Meisteraufnahmen der österreichischen Sopranistin bildet das enorm breite Spektrum ihrer überragenden Gesangskunst eindrucksvoll ab. “The Gundula Janowitz Edition” erscheint im Vorausblick auf den 80. Geburtstag der Sängerin am 2. August 2017.
Die Ausgabe umfasst 14 CDs, darunter hinreißende Arien aus Mozarts Oper “Così fan tutte”, aus von Webers "Freischütz“, Wagners ”Tannhäuser" oder der “Fledermaus” von Johann Strauss II. Stets brillant: Ihre fließenden Übergänge zwischen ernstem und augenzwinkerndem Ausdruck. Wenn sie an der Seite von Eberhard Wächter (Eisenstein) “Dieser Anstand, so manierlich” singt, dann nimmt man ihr Rosalindes seltsam scheue Koketterie Wort für Wort ab. Janowitz versteht es glänzend, den in der Fledermaus verborgenen Tiefsinn freizulegen.
Gundula Janowitz verkörperte ihre Rollen mit natürlichem Geschick. Der österreichischen Sängerin auf den Leib geschrieben: Fiordiligi aus Mozarts Zweiakter “Così fan tutte”. Der mit großem Ernst Liebenden, die im Rahmen einer Wette zur Untreue angestachelt wird, verleiht sie eine beeindruckend authentische Gestalt. Überwältigend ihr Flehen um Vergebung in “Per pietà, ben mio, perdona”.
Die Arie gehört neben den “Vier letzten Liedern” von Richard Strauss und den überwältigenden Schubert-Interpretationen der Sopranistin (CDs 10–13) zu den Highlights der Edition. Nicht minder reizvoll ist das geistliche Repertoire der Ausgabe. Wie die Ausschnitte aus Händels "Messias“, Bachs ”Weihnachtsoratorium" oder Brahms' “Ein deutsches Requiem” eindrucksvoll beweisen, war Gundula Janowitz von tiefer Spiritualität durchdrungen.
Dass die Sängerin ganz in sich ruht, lässt sich in einem berührenden Interview mit ihr erleben. Das Gespräch über ihre Stiftung für Nachwuchskünstler und über die Rolle der Gräfin in Mozarts “Le nozze di Figaro” erscheint hier erstmals in digitaler Gestalt. Gelungen abgerundet wird die limitierte Edition durch das 60-seitige Booklet, das mit brandneuen Texten und bislang unveröffentlichten, aussagekräftigen Fotos der Künstlerin aufwartet.