Was kaum jemand weiß: Elína Garanča, eine der gefragtesten Mezzosopranistinnen unserer Tage, wollte ursprünglich Musical-Sängerin werden. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich neben den berühmten Partien der Operngeschichte auch Stücken zuwandte, die wie die spanischen Zarzuelas nicht zum Kernrepertoire des Gernes gehören. „Zarzuela ist die spanische Form der Operette“, meint die Künstlerin in einem Interview zu ihrem aktuellen Album „Habanera“ und ergänzt: „Sie wird häufig unterschätzt, doch es gehört schon einiges dazu, eine Zarzuela wirklich gut aufzuführen – das ist auch bei der deutschen Operette so. Denn entgegen der landläufigen Meinung ist die Zarzuela eine ernsthafte Gattung, die meiner Meinung nach sehr stark vom Flamenco geprägt ist. Zarzuela spricht Menschen jeder Nationalität an, jedes Publikum in jedem Konzertsaal, in dem ich damit aufgetreten bin“.
So finden auch Melodien beispielsweise von Manuel de Falla ihren Weg in Elína Garančas Hommage an die Kraft der spanisch wie auch von der Gypsy-Kultur geprägten Musik. Oder auch ein Stück aus Franz Léhars „Zigeunerliebe“, die sich aus dem Umkreis des mediterranen Klangraums beeinflussen ließ. Der Bogen lässt sich von Österreich-Ungarn über ein Lied des Iren Michael William Balfe bis hin zu Maurice Ravel und Leonard Bernstein spannen, wobei vieles wieder zu einem Punkt zurückkehrt. Denn kein Komponist hat den Traum vom leidenschaftlichen Spanien so prägnant auf den Punkt gebracht wie George Bizet mit „Carmen“, der womöglich erfolgreichsten und bekanntesten Oper aller Zeiten. Sie gehört schon länger zum Repertoire von Elína Garanča und erst unlängst wurde sie bei aktuellen Aufführungen wie etwa mit München für ihre Darstellung euphorisch gefeiert. „Für mich ist Carmen vor allem eine freiheitsliebende Frau, die nur vom einen Tag zum anderen lebt. Beim Zuschauer sollte sie ein ganzes Kaleidoskop von Stimmungen auslösen. Man soll sie lieben, sie hassen, sie bemitleiden, man soll mit ihr lachen und sich wünschen, sie wie ein kleines Kind in den Arm nehmen und ihr sagen zu können: ‘Morgen ist alles wieder gut’“.
Was ebenfalls kaum jemand weiß: Georges Bizet hat zwei Versionen der berühmt gewordenen Arie „Habanera“ verfasst. Elína Garanča hat sich daher das Experiment erlaubt, sie auf „Habanera“ nebeneinander zu stellen: „Ich liebe diese frühe Arie, die Bizet später durch eine andere ersetzte – ein wunderbares Stück! Die Möglichkeit, diese beiden sehr unterschiedlichen Habaneras hören zu können, fand ich sehr interessant. Es wäre sicher faszinierend, fast schon schockierend, in einer Inszenierung einmal die erste Fassung zu bringen“. Auf dem Album jedenfalls sind beide gleichberechtigt zu erleben und vielleicht wird Elína Garanča das Spiel mit den Erwartungen auch auf der Bühne fortführen. Denn im Herbst wird sie mit dem „Habanera“-Programm in den großen Konzertsälen in Deutschland zu erleben sein. Mit Sicherheit einer der Höhepunkte des Klassik-Herbsts.