Der Rezensent war begeistert: “Carl Seemann und Wolfgang Schneiderhan darf man als Idealbesetzung bezeichnen”, frohlockte das ‘Fono Forum’ und fuhr fort: “Sie erreichen höchste Meisterschaft ohne Perfektion. Sie interpretieren nicht im landläufigen Sinne; sie offenbaren Musik”. Die Reihe “The Originals” macht ihre legendäre Version der Violinsonaten von Johannes Brahms auf CD auf dem neuesten Stand der Wiedergabetechnik wieder zugänglich.
Für Wolfgang Scheiderhan war es ein gewagter Schritt. Immerhin hatte er den begehrte Posten des Konzertmeisters bei den Wiener Philharmonikern und war als Leiter eines eigene Quartetts international berühmt geworden. Trotzdem packte den 34-jährigen Geiger aus Wien 1949 der Ehrgeiz, sich fortan als Solist zu bewähren. So konnte man ihn in den folgenden Jahren in verschiedenen kleinen Formationen hören, etwa im Trio mit dem Pianisten Edwin Fischer und dem Cellisten Enrico Mainardi oder auch mit Duos an der Seite von Wilhelm Kempf, Walter Klein und Carl Seemann. Schneiderhan galt als einer der großen Mozart-Interpreten seiner Zeit und kümmerte sich darüber hinaus sein Leben lang um den Nachwuchs, zunächst am Salzburger Mozarteum, später auch an der Wiener Musikakademie und den Konservatorien von Luzern und Stockholm. Mit dem aus Bremen stammenden Pianisten Seemann verband ihn dabei eine langjährige musikalische Partnerschaft und nicht zuletzt die gemeinsame Leidenschaft für die intimen Klänge der Kammermusik.
Die Violinsonaten von Johannes Brahms gehörten zu ihren Glanzstücken. Als persönliche Kammerspiele des Spätromantikers zwischen 1878 und 1888 entstanden, gelten sie bis heute als anspruchsvolle Meisterstücke der Interpretationskultur, an deren Verständnis und Ausarbeitung sich die Spreu vom Weizen der Instrumentalisten scheidet. Schneiderhan und Seemann machten daraus konzentrierte Wechselspiele der Emotionen, die gekonnt die Wage zwischen nötiger Sentimentalität und zeitgemäßer Abstraktion halten. Der Ton der Violine ist klar und kraftvoll, aber nicht dominierend. Das Klavier assistiert mit romantischer Finesse, ohne jedoch in übertriebene Leidenschaft zu verfallen. Entstanden zwischen 1957 und 1960 dokumentierten die Mitschnitte der drei Sonaten und des Scherzos aus der posthumen “F.A.E.”-Sonate die perfekte Balance zwischen Ernst und Überschwang, die Brahms' Duo-Werken gerecht wird. Eine zeitlose Einspielung mit immenser Kraft und Präsenz.