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Angela Gheorghiu
Angela Gheorghiu

Zweimal Liebe

18.06.2004

Angela Gheorghiu gehört zu den raren Sängerinnen, deren schauspielerisches Talent ebenso ausgeprägt ist wie die stimmliche Finesse. Daher macht es Sinn, die rumänische Sopranistin in gleich zwei sehr unterschiedlichen Rollen in einer DVD-Box zu präsentieren. Einmal stellt sie die schwindsüchtige Violetta dar, die im Kampf mit der Lebenslust und trotz der großen Liebe nicht gegen die Krankheit gewinnen kann. Das andere Mal hingegen ist sie die schnippische Adina, die erst nach vehementem Werben Nemorinos und amourösen Verirrungen ihrerseits feststellt, wo sie ihr wirkliches Glück findet. Beide Rollen, so konträr sie angelegt sind, füllt Gheorghiu mit einer Natürlichkeit, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinreißt.

Obwohl der Mikrobiologe Robert Koch bereits 1882 den Krankheitserreger der Tuberkulose entdeckte, war es erst in den 1940er Jahren möglich, ein wirksames Medikament dagegen zu entwickeln. Bis dahin blieb sie eine der häufigsten tödlichen Krankheiten der Menschheit, die wegen ihres typischen Verlaufs auch Schwindsucht genannt wurde. Denn allen fortgeschrittenen Tuberkuloseerkrankungen gemein sind Fieber, Mattigkeit, Nachtschweiß, Appetitmangel und Gewichtsabnahme, außerdem Atemwegsstörungen wie Husten, Brustschmerzen und blutiger Auswurf. Für die Literatur war die Schwindsucht daher die passende Metapher für das schicksalhaft entgleitende Leben. Auch Francesco Maria Piave griff darauf zurück, als er Giuseppe Verdi auf der Grundlage von Alexandres Dumas “Kameliendame” das Libretto zu “La Traviata” entwarf.

 

Der italienische Opernprofi wiederum schuf quasi im Eiltempo nach dem Erfolg von “Il Trovatore” das passende Singspiel dazu, das seit der Premiere 1853 in Venedig die Bühnen der Welt eroberte. Dabei ist die Geschichte durchaus pikant, denn die Entwicklung der Violetta von der leichtlebigen Salondame in Paris zur siechenden Schönheit, die die Kraft der Liebe erkennt, erfordert einiges Fingerspitzengefühl, um nicht in Sentimentalitäten zu entgleiten. Im Herbst 1994 gelang Richard Eyre, eine derart wohlausgewogene Inszenierung zu schaffen, die durch die herausragende Besetzung auf der Bühne und am Pult Fachwelt und Publikum begeisterte. Sir Georg Solti entwickelte aus der Vorlage eine nuanciert ausdifferenzierte musikalische Interpretation, die hinreißende Angela Gheorghiu gewann der Titelrolle die nötige Balance zwischen Schönheit und Tragik, Ästhetik und Romantik ab. So wundert es kaum, das die “Traviata” von Covent Garden zu den besten Inszenierungen der vergangenen Jahrzehnte zählt.

 

Sehr viel fröhlicher konnte sich Gheorghiu zwei Jahre später in Lyon präsentieren. Diesmal ging es um einen bukolischen Stoff, der ausnahmsweise nicht mit dem Tod der Protagonisten endet. Gaetano Donizetti hatte “L’elesir d’amore” 1832 im Eiltempo komponiert, nachdem ihm der Impressario des Mailänder Teatro Cannobiana die Möglichkeit in Aussicht gestellt hatte, die Vertretung einer ausgefallenen Oper eines Kollegen zu gestalten. Felice Romani schuf das Libretto und innerhalb eines Monats stand das Projekt, das heute zu den meistgespielten des traditionellen Repertoires gehört. Für die Aufführung in Lyon im Herbst 1996 hatte sich Frank Dunlop neben seiner Starschauspielerin ein souveränes Gegenüber engagiert, das die Rolle des tölpelhaften, aber ehrlichen Bauern Nemorino mit perfekter Intensität umzusetzen vermochte. Roberto Alagna und Angela Gheorghiu hatten nämlich wenige Monate zuvor geheiratet und konnten daher auf der Bühne aus ehrlichem Herzen das Liebespaar mimen.

 

Dazu kam eine reduzierte, aber wirkungsvolle Inszenierung mit einem Bühnenbild im Stile der 1920er Jahre, ausgezeichnete Partner wie Roberto Scaltriti (Belcore), Simone Alaimo (Dulcamara) und Evelino Pidó am Pult des Orchesters der Opera National de Lyon, die aus dem Spektakel eine leichte und unterhaltsame, zugleich konzise und klare Aufführung machten. Als Bonus ist auf der DVD außerdem die 52-minütige “Making-Of”-Doku von Brian Large zu sehen, so dass man mit der Gheorghiu-Box nicht nur zwei ungewöhnliche Aufführungen, sondern darüber hinaus einen Einblick in die Arbeitsweise der Künstlerin geboten bekommt.

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