Albrecht Mayer widmet sich der einzigartig begabten Familie Bach. Bach Generations heißt sein neuestes Album bei Deutsche Grammophon. Nach seiner erfolgreichen Mozart-Veröffentlichung hat der Oboist nun Musik von Johann Sebastian (1685–1750), Johann Christoph (1642–1703), Carl Philipp Emanuel (1714–1788) und Johann Christoph Friedrich (1732–1795) aufgenommen, außerdem die Transkription eines Werks von Gottfried Heinrich Stölzel, die einst J. S. Bach zugeschrieben wurde. Mayer wird von den Berliner Barock Solisten und Gottfried von der Goltz (Solovioline/ Konzertmeister) begleitet. Das Album erscheint am 4. August 2023 digital und auf CD.
Vorab sind Mayer und seine Mitmusiker:innen am 3. Juni auf STAGE+ mit einer Auswahl des Repertoires auf der Bühne der Berliner Siemens-Villa zu erleben, wo die Musik auch eingespielt wurde. Gleich darauf, am 9. Juni, spielt der Oboist neben Lang Lang, Daniel Hope und anderen bei einem bemerkenswerten Konzert, das live aus Leipzig auf STAGE+ ausgestrahlt wird. Die Veranstaltung ist Teil von »Bach300«, dem größten Bach-Jubiläum dieses Jahrhunderts. Geehrt wird ein Ereignis vor 300 Jahren, die Ernennung von J. S. Bach zum Thomaskantor. Unter der Leitung des jetzigen Thomaskantors Andreas Reize treten auch der Thomanerchor und das Gewandhausorchester auf.
Im Alter von nur acht Jahren entdeckte Albrecht Mayer die Musik von J. S. Bach für sich, als Chorknabe am Bamberger Dom. Nur wenige Jahre später konnte er einige der einfacheren Stücke des Komponisten auf dem Klavier spielen. »Schon damals«, sagt er, »spürte ich dieses transzendente Bild seiner Musik durch meine Adern fließen.« Je intensiver er Bach studierte, desto mehr liebte er dessen Werke. Doch auch unabhängig von Wissen, quasi intuitiv lasse sich die Kraft erfassen: »Man kann sehr tief eintauchen in seine Musik, aber selbst wenn man keine Ahnung davon hat, spricht sie einen an.« In den letzten Jahren haben sich Mayers Studien auf die ganze Familie Bach konzentriert – dieses Album gründet somit auf dem genialen Geist, der Generationen beseelte und Werke hervorbrachte, die Spätrenaissance, Barock und Klassik verbinden.
Der Eindruck stilistischer Entwicklung lässt sich in den Konzerten von Johann Sebastian und zwei seiner Söhne ablesen, sie stehen im Zentrum von Bach Generations. Das Konzert in A-Dur von J. S. Bach ist nur in einer Fassung für Cembalo und Streicher erhalten (BWV 1055), aber es gibt deutliche Hinweise darauf, dass es ursprünglich für Oboe geschrieben wurde, ein Instrument, das der Komponist in vielen seiner Kantaten mit solistischen Aufgaben bedachte. In diesem Werk ist die für das Barock typische strikte Trennung zu hören zwischen dem Soloinstrument und dem Orchester, das eine rein begleitende Rolle spielt.
Auch wenn das Oboenkonzert in G-Dur von C. P. E. Bach (ein Arrangement von Matthias Spindler und Albrecht Mayer des Clavierkonzerts H412/Wq 9) virtuose solistische Momente aufweist, tritt das Orchester gleichwohl stärker in den Vordergrund. Die turbulenten Ecksätze und das empfindsame zentrale Adagio machen das Werk zu einer charakteristischen Komposition aus der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Wie anders hingegen das B-Dur-Konzert von J. C. F. Bach (in den 1770er-Jahren ebenfalls als Clavierkonzert veröffentlicht und hier wiederum von Spindler und Mayer bearbeitet), der Schwerpunkt liegt nun auf dem Orchestersatz, und das Werk als Ganzes nimmt Elemente des Klassizismus eines Haydn oder Mozart auf. Die Originalität beider Werke verrät viel über Johann Sebastian Bachs Fähigkeiten als Lehrmeister. Zwar gab er sein Handwerk an seine Söhne weiter, doch schuf er nicht seinesgleichen, sie fanden zu einer eigenen Sprache.
Auch drei kürzere Werke des Lehrmeisters Bach sind in Transkriptionen eingespielt. Neben dem Air aus der Orchestersuite Nr. 3 hören wir die Badinerie aus der Orchestersuite Nr. 2 und die Arie »Sanfte soll mein Todeskummer« aus dem Oster-Oratorium. Mayer spielt außerdem ein Arrangement für Oboe von »Bist du bei mir«, einer Arie von Gottfried Heinrich Stölzel, die im Hause Bach sehr beliebt war.
Das Album endet mit dem ältesten Werk dieser Auslese. Das in der Spätrenaissance entstandene Ach, dass ich Wassers g’nug hätte ist ein geistliches Vokalwerk von Johann Christoph Bach, einem Cousin von J. S. Bachs Vater. Es wurde in den frühen 1670er-Jahren in Eisenach für Alt und Streicher geschrieben und von Matthias Spindler bearbeitet. »Wir versuchen, einen Sänger so gut wie möglich nachzuahmen«, sagt Mayer über die Herausforderung einer solchen Bearbeitung. »Obgleich man den Text weglässt, ist die Musik nicht weniger heilig, nicht weniger gut.«