Es ist ein Stück für junge Leute. Serge Prokofiev war 22 Jahre alt, ale er sein zweites Klavierkonzert schrieb und uraufführte und er packte es voll mit Wut und Leidenschaft, Kraft und Trauer. Außerdem war er auch ein Angeber, der vor allem mit dem halsbrecherischen vierten Satz des Stückes zeigen wollte, was für den herausragender Pianist er neben der Arbeit als Komponist sein konnte. Jedenfalls forderte er seine Zeitgenossen ordentlich heraus und gab allen – den Konzertbesuchern zum Hören und den Künstlern zum Üben – ordentlich Hausaufgaben auf. Yundi Li hat sie gemacht, mehr als das. Er hat das Werk mit all seinen technischen Hindernissen derart verinnerlicht, dass es ihm mit wunderbarer Leichtigkeit von den Fingern geht. Für sein CD-Debüt mit den Berliner Philharmonikern und Seiji Ozawa hat er es mit Ravels spätem G-Dur Konzert kombiniert und ein Musikhighlight dieses Frühlings geschaffen.
Nun ist Yundi Li selbst kaum älter als Prokofiev beim Verfassen des gewaltigen g-Moll-Konzertes war. Das hilft, um die Emotionen des Komponisten nachvollziehen zu können, und es ist außerdem ein Zeichen für einem Umschwung in der Wahrnehmung von klassischer Musik, die vor allem in der chinesischen Heimat des zum Weltstar heranreifenden Pianisten eingesetzt hat.
“Nachdem ich den Chopin-Wettbewerb gewonnen hatte”, meint Li mit Blick auf die Gegenwart der Klavierkunst, “kannten mich in China auf einmal die Leute auf der Straße und baten um Autogramme. Seitdem mache ich Werbung für verschiedene Produkte und bin oft im Fernsehen. Das bringt der klassischen Musik ein großes Publikum. Im Moment sind in China alle ganz heiß auf klassische Musk. Fast in jeder Familie haben die Kinder Klavierunterricht. Es ist dort also ganz anders als hier, aber wundervoll. Klassische Musik braucht junge Energie, um ihre Tradition fortzusetzen. Ich denke, auch hier in Europa wird es uns gelingen, eine junge Hörerschaft aufzubauen. Es gibt viele Möglichkeiten, Musik kennen zu lernen, man kann sie sich auf den iPod laden, im Radio hören, Musiker im Fernsehen sehen.” Wie ihn selbst, beispielsweise, und sich wundern, dass das überhaupt machbar ist, was er auf den Tasten zaubert. Denn Yundi Li ist einer dieser Pianisten, der Staunen über seine spieltechnische und interpretatorische Meisterschaft hinterlässt, ganz egal, wo er seine Kunst zum Besten gibt.
Und so war auch Maestro Seiji Ozawa schnell vom seinem Können überzeugt: “Zum ersten Mal bin ich Yundi Li vor drei Jahren begegnet. Da spielte er mir im Studio der Wiener Staatsoper vor. Das Klavier dort war nicht sehr gut, weil es eben nur ein Opernstudio ist, als Yundi spielte fantastisch. Seine Musik ist voller Fantasie, er ist ein wahrer Musikpoet. Es ist schwierig, heutzutage so jemanden zu finden. Einige mögen der Ansicht sein, das sei altmodisch. Aber für mich war es sehr erfrischend. Außerdem stecken in seinen Fingern alle technischen Möglichkeiten. Poesie und Technik treten selten gemeinsam auf, in diesem Fall ist tatsächlich beides da. Das war mein erster Eindruck. Deshalb habe ich mich in Yundi Lis Spiel verliebt und wollte mit ihm zusammenarbeiten”. So dauerte es nicht lange, bis die beiden Protagonisten auch mit einem eigenen Programm zusammenfanden.
Die Wahl von Prokofievs “Klavierkonzert No.2 in g-moll, op.16” und Ravels “Klavierkonzert in G-Dur” traf der Pianist, die Erarbeitung mit den Berliner Philharmonikern erfolgte in einer gemeinsamen intensiven Probenphase. Im Mai 2007 wurde dann aufgenommen, im Großen Saal der Berliner Philharmonie. Es entstand ein Panoptikum spätromantischer und expressionistischer Klangphantasien, dessen Wucht und Präsenz vom ersten Ton an fesselt.