Morten Lauridsen ist ein beeindruckend ernster Typ. Er gehört zu der Sorte Künstler, die äußerlich gefasst sind, dafür aber innerlich umso mehr brodeln. Aufgewachsen in Portland im US-Bundesstaat Oregon, besaß der Sohn dänischer Einwanderer schon immer eine gehörige Portion Eigensinn. Bevor er sich zu einer Komponistenlaufbahn entschied, arbeitete er zunächst als Feuerwehrmann für die Forstverwaltung der Vereinigten Staaten. Der Drang, sich ausschließlich mit Musik zu befassen, wurde dann jedoch übermächtig.
Lauridsen nimmt ein Studium der Komposition an der University of Southern California auf. Dort lässt er sich von intellektuellen Größen wie Ingolf Dahl oder Halsey Stevens ausbilden. Bereits 1967, der junge Mann ist damals erst Mitte 20, tritt er selbst eine Professur an der besagten Universität an. Dass ihn die akademische Tätigkeit allein nicht ausfüllen würde, versteht sich bei einem so kreativen Kopf wie Lauridsen von selbst. Der nachdenkliche Hochschullehrer begibt sich auf die Suche nach seiner eigenen musikalischen Stimme.
Dabei drängt sich ihm die Chormusik als angemessenes Medium seines Ausdrucksverlangens auf. Mit der Komposition von Gesängen kann er seinen poetischen Neigungen nachgehen und andachtsvolle Stimmungen erzeugen. Lauridsen begeistert das Publikum. Er bringt es mit Chormusik zu einer erstaunlichen Bekanntheit. Vorläufiger Höhepunkt seiner Laufbahn: die National Medal of Arts, eine von der amerikanischen Regierung verliehene, hoch renommierte Auszeichnung, die er 2007 im Weißen Haus entgegennimmt.
Morten Lauridsen lebt abseits des Kulturbetriebs auf einer einsamen Insel im US-Bundesstaat Washington. Er liebt die Natur und liest viele Gedichte. Auf Waldron Island, so der Name seines Refugiums, läuft er die Strände ab, blickt den Adlern nach, streift durch die Wälder und nimmt die Geräusche und geheimnisträchtigen Stimmungen der Natur in sich auf. Lauridsen wartet geduldig auf Eingebung, und irgendwann ist es dann soweit. Klänge steigen in ihm auf. Er muss jetzt komponieren.
“Es ist wie Verliebtsein. Du kannst an nichts anderes denken”, so Morten Lauridsen in “Shining Night”, einem berührenden Filmportrait des Komponisten von Michael Stillwater. Dieses Verliebtein, diese enorme Gefühlsmacht, mit der der Komponist seine Naturerlebnisse und Gedichtlektüren musikalisch zu bündeln versteht, kann man jetzt in höchster Intensität auf seinem neuen Album erleben. “Light Eternal”, so der rätselhaft-mystische Titel dieser Veröffentlichung, erscheint aus Anlass des 75. Geburtstags von Morten Lauridsen.
Das mit zwei Welterstveröffentlichungen aufwartende Album enthält die bedeutendsten Chorwerke des großen Komponisten. Der Chamber Choir of Europe und die European Chamber Soloists haben diese Kompositionen unter der Leitung von Nicol Matt in enger Kooperation mit Morten Lauridsen aufgenommen. Die Stimmung auf dem Album ist gänsehautträchtig.
Lauridsens Chorgesänge entfalten eine berührend zarte und stets auch tröstliche Klangpoesie. Am eindringlichsten vielleicht in “Prayer” (2013), eine der beiden Aufnahmepremieren. Die friedliche Atmosphäre, die der junge Chor hier mit einfachsten melodischen Mitteln zu erzeugen weiß, ist hinreißend und eignet sich prächtig als frühe Einstimmung auf Weihnachten.