Richard Wagner hatte viele Visionen. Eine davon war die eines eigenen Festspielhauses, wo er sich ungestört der Umsetzung seines musikalischen Gesamtkunstwerkes widmen konnte. Tatsächlich gelang es ihm, Investoren von diesem Vorhaben zu überzeugen.
Und so kam es zum Bau des berühmten Gebäudes am Grünen Hügel in Bayreuth und am 13. August 1876 zur Eröffnung der ersten Richard Wagner Festspiele mit der Uraufführung des “Rings des Nibelungen”. Allerdings erwies sich die privat von der Familie finanzierte Veranstaltung als riskantes Unternehmen. Denn nicht jeder war anfangs sowohl von der Notwendigkeit des Hauses als auch von der Qualität des Dargebotenen überzeugt.
Es kam bis in die 1940er Jahre hinein immer wieder zu Festspielpausen, auch wenn die einseitig deutschtümelnde Auffassung der Wagnerschen Werke in den Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur für einen zwischenzeitlichen Aufschwung sorgte. Nach 1945 jedenfalls stand Bayreuth vor einem Desaster, von dem sich das Festival langsam erholte. Es dauerte immerhin bis 1951, bis die Enkel Wieland und Wolfgang Wagner den Neuanfang wagten.
Dann allerdings ging es in rasantem Tempo voran. Die Bayreuther Festspiele entwickelten sich schnell zu einem der wichtigsten Opernevents im musikalischen Jahreskreislauf, nicht zuletzt deshalb, weil sich von Wolfgang Sawallisch bis James Levine und Birgin Nilsson bis Theo Adam herausragende Dirigenten und Solisten die Ehre gaben. Inszeniert wurden die vom Komponisten testamentarisch festgelegten zehn Hauptwerke “Der Ring des Nibelungen”, “Der Fliegende Holländer”, “Tannhäuser”, “Lohengrin”, “Tristan und Isolde”, “Die Meistersinger von Nürnberg” und “Parsifal” zunächst überwiegend von Wieland Wagner, von 1967 an, nachdem Wolfgang Wagner die Gesamtleitung des Unternehmens übernommen hatte, zunehmend auch von Gaststars wie August Everding, Patrice Chéreau, Jean-Pierre Ponnelle, Dieter Dorn oder Christoph Schlingensief. So konnte Bayreuth seinen Ruf als Wagner-Metropole nicht nur erhalten, sondern weiter ausbauen bis hin zur heutigen international bedeutsamen, normsetzenden Stellung.
Das lag an der Musik, den Inszenierungen, vor allem aber auch an den hervorragenden Dirigenten und Interpreten, die den immens hohen Standard der Umsetzung erst gewährleisteten. So kann die Decca für ihre Gesamtausgabe “Wagner – Live aus Bayreuth (Limited Edition)” auf ein grandioses Panoptikum der Künstler zurückgreifen.
Vier Dirigenten mit längst legendären Aufnahmen wurden für die Sammlung ausgewählt, Wolfgang Sawallisch, der sich stilbildend dem “Fliegenden Holländer”, “Lohengrin” und dem “Tannhäuser” widmete, Karl Böhm mit seinen lange Jahre vorbildlichen Vorstellungen von “Tristan und Isolde” und dem “Ring des Nibelungen”, Silvio Varviso, der sich den “Meistersingern” zuwandte, und James Levine mit dem “Parsifal”. Unter den Solisten finden sich die Birgit Nilsson und Wolfgang Windgassen etwa als das berühmte Isolde und Tristan-Paar von 1966, Jess Thomas mit dem hoch gelobten Lohengrin von 1962 oder Karl Ridderbuschs faszinierender Hans Sachs von 1974, außerdem Josef Greindl als Daland oder Herrmann von Thüringen, Franz Crass als Heinrich der Vogeler, Theo Adam als Wotan, Martti Talvela als König Marke, James King als Siegmund, Peter Hofmann als Parsifal und noch viele sensationelle Sänger und Sängerinnen mehr von Christa Ludwig bis Peter Schreier. So ist diese grandiose Box ein Stück zeitloser Musikgeschichte, das man mit guten Gewissens in die erste Reihe jeder Klassik-Sammlung stellen kann.