Er war ein großer Neuerer. Egal was er anfasste, ob er sich Vivaldi, Händel oder Haydn widmete, stets wirkten seine Interpretationen frisch, lebendig, verjüngt und vollkommen anders, als man es gewohnt war.
Christopher Hogwood schuf das, wonach so viele Dirigenten streben: ein ureigenes Klangbild, das bei aller Extravaganz doch so natürlich wirkte, dass es beim Publikum ankam. Bis heute hat man bei Hogwood das Gefühl: So klingt es richtig. So muss es klingen, und wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, dann kommt man nie mehr davon los. Es ist einfach zu schön! Eine solche Musizierfreude, eine solche Spielintelligenz – das gibt es nur bei Hogwood. Niemand lässt das Barock so frisch erklingen wie der im Vorjahr verstorbene Meisterdirigent und Grandseigneur der historischen Aufführungspraxis.
Dabei ist die Pointe seines Vermächtnisses so schlicht wie paradox: Hogwood verjüngt den Klang der Alten Musik, indem er auf die historischen Quellen zurückgeht. Das Barockzeitalter selbst tönt uns in seinen bahnbrechenden Interpretationen entgegen. Christopher Hogwood weckt vergessene Welten zu neuem Leben. Er ruft die volltönende Sinnlichkeit, die nie versiegende Tanzbereitschaft des Barock in Erinnerung, und dass er auf diesem Gebiet mit Vivaldi punkten kann, versteht sich von selbst. Vivaldis Musik gleicht einer Feier des Lebens, und darauf verstand sich Christopher Hogwood wie kein zweiter.
Er hat dies in zahlreichen Aufnahmen unter Beweis gestellt. Jede Neuerscheinung seiner Vivaldi-Interpretationen war ein Ereignis. Publikum und Kritik feierten diese Veröffentlichungen frenetisch. Die Academy of Ancient Music, das von Hogwood selbst nach seinen Neigungen und Wünschen gegründete Kammerorchester, war auf Vivaldi eingeschworen. Es wusste genau, was es zu tun hatte. Und was noch wichtiger war: Es tat gerne, was Christopher Hogwood von ihm forderte.
Dass Hogwoods Vivaldi bis heute nichts von seiner Frische eingebüßt hat, bestätigt jetzt einmal mehr die soeben erschienene Gesamtedition seiner Vivaldi-Aufnahmen mit der Academy of Ancient Music. Wenn es um pulsierende Rhythmik, farbenfrohe Harmonien und wahre Spielfreude geht, dann gibt es einfach keine bessere Adresse als Christopher Hogwood. Bei Vivaldi wird dies überdeutlich. Hier kommen seine historischen Tugenden und musikalischen Fähigkeiten voll zur Geltung.
Hogwood unternimmt mit seinem Ensemble eine Zeitreise ins Venedig des 17./18. Jahrhunderts. Er studiert die Partituren der damaligen Zeit, schaut sich die Instrumentierungen an und folgert schließlich, wie Vivaldi geklungen haben könnte. Doch diese Zeitreise ist keine Kopfgeburt. Sie lebt nicht allein vom Wissen des Meisters. Entscheidend ist sein Einfühlungsvermögen. Hogwood kennt die kulturellen und musikalischen Gewohnheiten des Barock. Er ist tief in sie eingedrungen und kann sie deshalb spielerisch leicht aufrufen.
Ob er dabei die Violin- oder Oboen-Konzerte, die Cello-Sonaten oder geistlichen Werke Vivaldis interpretiert – nie klingt die Academy of Ancient Music unter seiner Leitung künstlich oder akademisch. Stets demonstriert Hogwood, dass er zu balancieren versteht. Sein Vivaldi tanzt und springt. Zugleich klingt er volltönend und ist alles andere als luftig. Hogwood hat die Kunst der Balance bis zur Vollendung geführt. Dafür liefert diese sensationelle Vivaldi-Edition, die 20 CDs umfasst, ein sorgfältig ausgearbeitetes Booklet enthält und geschickt mit Elementen des L’Oiseau Lyre-Designs spielt, einen schlagenden Beweis.