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Antonio Salieri
Antonio Salieri

Des Kaisers Komponist: Antonio Salieri

14.02.2001

Der Name Antonio Salieris verbindet sich am schnellsten mit Kriminalfall, Giftmord, Mozart. Die Hälfte seines Lebens verbrachte er mit dem Gerücht, Mozart vergiftet zu haben, ohne es öffentlich zu dementieren. Als er mit 75 Jahren starb, hatte er mehr als 40 Opern komponiert, weltliche Kantaten, Messen, Oratorien und Instrumentalmusik.

Eines wenigstens haben das Junggenie und des Kaisers braver Komponist gemeinsam: Beide wurden sie weit vor der Stadt begraben. Mozart verscharrte man auf dem Sankt-Marxer-Friedhof, der – längst einem Schrottplatz gewichen – noch heute vom Stadtzentrum in einer Zwanzig-Minuten-Fahrt mit der Straßenbahn 71 zu erreichen wäre. Antonio Salieri, der doppelt so alt wurde wie Mozart, den seine Musik wohlhabend, prominent und einflussreich machte, fand seine letzte Ruhestätte ähnlich weit entfernt von Hofburg und Stephansplatz: Salieri liegt auf dem heutigen evangelischen Friedhof Matzleinsdorf begraben, exakt dort, wo die Straßenbahn 6 nach ihrer Fahrt vom Stadtzentrum wieder aus dem Untergrund auftaucht. Am 9. Mai 1825 folgte “seinem Leichenzuge das gesammte Personale der kaiserl. Hofmusikkapelle, seinen Vorsteher an seiner Spitze; alle in Wien anwesenden Kapellmeister und Componisten, eine Menge ausgezeichneter Tonkünstler und eine große Zahl angesehener Musikfreunde”, beschreibt es der Salieri-Biograph Franz von Mosel. Salieri wurde also mit all den Ehren begraben, wie sie ihm als Hofkapellmeister der Habsburger, als europaweit berühmtem Opernkomponisten, als Kompositionslehrer und einflussreichem Organisator des Wiener Musiklebens zukamen.

 

1825 – da war Mozart bereits 34 Jahre tot, seine Kompositionen im Konzertsaal und auf der Opernbühne aber so lebendig wie Salieris Werke schon viele Jahre nicht mehr. Trotzdem: Zur Mordlust reichte das nicht, und selbst die – im Theaterbetrieb übliche und nachvollziehbare – Konkurrenz zwischen den beiden spektakulärsten Opernkomponisten der Zeit ist kein Grund für Giftmord. Hohn von Seiten Mozarts für den Vorstand der wichtigen “italienischen Fraktion” des Wiener Opernlebens? Hass des erfolgreicheren Salieri gegen den so unfassbar genialen Mozart? Eher Anlass zur traurigen, wenn auch realistischen Einsicht in das Nachlassen der eigenen künstlerischen Kräfte. Salieri war dazu fähig. Der Italiener, der bereits mit Ende dreißig Hofkapellmeister wurde, war aufbrausend und melancholisch, stolz und sehr gesellig, manchmal geradezu harmoniesüchtig – Salieri war der europaweit angesehenste Musiker des Habsburger Hofes: genug Futter für Tratsch, Gerüchte und Intrigen.

 

Als Salieri 1766 aus Venedig nach Wien kam, besaß er weniger als nichts. Seit drei Jahren verwaist, hatte er bei venezianischen Adeligen gelebt, in den zahlreichen Opernhäusern der Stadt alles kennen gelernt, was im Opernbetrieb gerade Mode war – und er war auf Florian Leopold Gaßmann getroffen, der den musikalischen Jungen, aus welchen Motiven auch immer, zu sich nach Wien nahm und unterrichtete. Gaßmann war Kapellmeister des Kaisers Joseph II. und führte ihn in den wichtigsten Kammermusikzirkel ein, den es in Wien gab: Der Kaiser musizierte hier regelmäßig, und einmal in den Kreis aufgenommen, wurde Salieri vom Kaiser gezielt gefördert. Nicht immer machte sich das in barer Münze bezahlt, aber Salieri hatte die wichtigste Beziehung seines künstlerischen Lebens gefunden: Die enge Verbindung zu den Habsburg-Kaisern war sein Glück und sein größtes Hindernis: eine Beziehung, die seine Karriere beförderte, ihn künstlerisch aber aus Pflichtgefühl oft zu faulen Kompromissen verführte.

 

Schon 1768 lieferte der 18-jährige Salieri sein Gesellenstück an der Oper ab, dem in den darauf folgenden Jahren Burlesken und Pastoralen, Pasticci und Ballettopern folgten. In “Armida” (1771) setzte er zum ersten Mal Anregungen von Glucks Opernreform um, doch sein wirklicher Durchbruch kam mit der Buffo-Oper “La locandiera” (1773, nach einem Text von Carlo Goldoni). Das Werk wurde schnell in ganz Europa nachgespielt, und der gerade 23-jährige Salieri war damit zum arrivierten Komponisten aufgestiegen. Zunehmend erprobte sich Salieri auch als Instrumentalkomponist: Ein Orgelkonzert, zwei Klavierkonzerte, ein Tripelkonzert, ein Konzert für Flöte und Oboe entstanden – die Geschwindigkeit, mit der er produzierte, ist verblüffend. Doch berühmt machten ihn seine Opern: “La scuola de' gelosi”, für das Teatro di San Moisé in Venedig geschrieben, wurde mit seiner sehr leichten Musik, die ganz auf den schnellen, spritzigen Text einer Verwechslungskomödie abstellte, die meistinszenierte Oper Salieris, die in den folgenden dreißig Jahren mehr als sechzig Einstudierungen zwischen Lissabon und Moskau, Neapel und Riga erreichte.

 

In Paris feierte man ihn nach “Les Danaïdes” als den würdigen Nachfolger Christoph Willibald Glucks. Und mit seiner Oper “Tarare” – die Geschichte eines maßlosen Gewaltherrschers, der das Feld für einen vom Volk gewählten König räumen muss, in Wien zu “Axur” umgearbeitet – brachte er der Pariser Oper die höchsten Gewinne ein. Sein Werk umfasst insgesamt mehr als 40 Opernkompositionen, von denen heute nur wenige auf den Spielplänen der Opernhäuser und in den Katalogen der Plattenlabels zu finden sind. Schade eigentlich, denn dass Salieri zwar nicht durchgängig, aber in Einzelwerken durchaus mehr zu bieten hat als Gebrauchsmusik, zeigen die vorhandenen Einspielungen. Antonio Salieri ist nicht vergessen – das haben Puschkins Erzählung, Rimsky-Korsakoffs Oper und Milos Formans Verfilmung erreicht. Aber schwer ist es, aus der Kategorie “Giftmörder Mozarts” in die Sparte “Komponist mit Aufführungswert” zu wechseln. Seine Musik wieder zu hören kann da helfen.

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