Sergei Babayan zählt zu den feinsinnigsten Interpreten unserer Zeit. Nun veröffentlicht der armenische Pianist sein Solodebütalbum bei Deutsche Grammophon, für das er ausgewählte Klavierwerke und Transkriptionen von Sergei Rachmaninoff eingespielt hat. Das Album erscheint am 7. August 2020.
Die Urmotivation eines jeden Musikers ist die Möglichkeit, »zu den Menschen durch Musik zu sprechen und sie zu berühren«, davon ist Sergei Babayan überzeugt. Er selbst verwirklicht dieses Ideal seit Beginn seiner spannenden Karriere auf vielfältige Art und Weise: als brillanter Solist und eindringlicher Interpret eines breiten Repertoires vom Barock bis zur Gegenwart, als versierter Kammermusiker unter anderem mit Martha Argerich und nicht zuletzt als begnadeter Pädagoge, der Musiker wie Daniil Trifonov prägte. Nun bringt der 59-jährige Exklusivkünstler der Deutschen Grammophon sein erstes Solo-Album beim renommierten Label heraus. Es ist ein Höhepunkt seiner Laufbahn und eine Liebeserklärung an die Musik Sergei Rachmaninoffs.
Sergei Babayan kam 1961 in Armenien zur Welt und begann seine pianistische Ausbildung im Alter von sechs Jahren bei Luisa Markaryan und Georgy Saradjev. Als 13-Jähriger kam er zum ersten Mal mit der Musik Rachmaninoffs in Kontakt. Damals hörte er das zweite Klavierkonzert und war wie gebannt von »den Melodien, den Harmonien, den komplexen chromatischen Rückungen des Kontrapunkts und der unbeschreiblichen Schönheit der inneren Stimmen«, wie Babayan erzählt. Später studierte er am Moskauer Konservatorium bei Mikhail Pletnev, Vera Gornostayeva und Lev Naumov und wurde als Schüler der dritten Generation in der Neuhaus-Tradition ausgebildet, bevor er nach seiner ersten Auslandsreise 1989 gleich mehrere Erste Preise bei internationalen Wettbewerben wie der Cleveland International Piano Competition, der Hamamatsu Piano Competition und der Scottish International Piano Competition errang.
Die Musik Rachmaninoffs spielte für Babayan in all den Jahren eine besondere Rolle. »Ganz gleich, was ich sonst gespielt habe – Rachmaninoff war immer präsent«, sagt er und so lag es für ihn auf der Hand, sich auf seinem Debütalbum bei Deutsche Grammophon ausschließlich Werken des romantischen Tonschöpfers zu widmen. Hierbei war es ihm ein Anliegen, keine vollständigen Werkzyklen einzuspielen, sondern vielmehr »einen eigenen Zyklus« zu kreieren. In einem intensiven Arbeitsprozess hat er hierfür verschiedene pianistische Miniaturen Rachmaninoffs ausgewählt, die ihn seit vielen Jahren begleiten und inspirieren. Darunter finden sich einzelne Stücke aus den Préludes op. 23 und op. 32, den Études-Tableaux op. 33 und op. 39, den Moments musicaux op. 16 sowie Transkriptionen des dritten Satzes der Cellosonate op. 19 und der Lieder »Flieder« und »Melodie« aus dem Zyklus op. 21, den Babayan schon seit seiner Kindheit kennt und liebt. Von ähnlich improvisatorischem Charakter geprägt verschmelzen die einzelnen Stücke in der fein aufeinander abgestimmten Abfolge auf dem Album zu einer kontrastreichen und spannungsvollen musikalischen Erzählung. »Durch die Kombination der verschiedenen Stücke entsteht eine ganz eigene Geschichte«, so Babayan. »Ein Stück geht in das andere über, eine Stimmung fließt in die nächste«.
Die Palette der Emotionen in Rachmaninoffs Musik ist für Babayan schier grenzenlos: »Es wäre vergeblich, die ganze heilende Kraft seiner Musik verständlich machen zu wollen – sie ist ein Frühlingsgarten der neuen Hoffnung und Wiedergeburt, der Inspiration und des Neuanfangs für die vom Weg Abgekommenen und alle, die ihren Glauben verloren haben. Wenn Rachmaninoff davon spricht, dass Musik Liebe ist, die von Herz zu Herz geht, dann kann man das wahrer gar nicht ausdrücken. Nur ein mit größten Gaben gesegneter Komponist verfügt über die Kunstfertigkeit, seine Musik wie aus dem Moment heraus geboren klingen zu lassen.«
Die einzigartige Tonsprache des Komponisten spiegelt für Babayan dabei sowohl die »tief russische Seele« Rachmaninoffs als auch dessen Verwurzelung in der russisch-orthodoxen Tradition wider, angereichert durch den unverkennbaren Einfluss der Kultur der Sinti und Roma. Dabei würde eine »fantastische improvisatorische Gabe« einhergehen mit »tiefem Wissen und einer einzigartigen Handwerkskunst« und zeige sich die wahre Größe Rachmaninoffs gerade in der scheinbar mühelosen Entwicklung seiner Werke. Babayan sagt: »Aus einer Zelle mit nur wenigen Noten erschafft er eine Stimmung, und was er dann daraus macht, gleicht einer einzigen fließenden Phrase, einer endlos strömenden Melodie, bei der man kaum merkt, welche Arbeit dahintersteckt.«
Eingespielt in nur wenigen Takes legen Babayans Interpretationen die emotionale Vielschichtigkeit und Dichte dieser Werke auf faszinierende Weise frei. Dabei offenbart sich Sergei Babayan als Meister des sprechenden Klangs, der mit seinem Spiel unmittelbar berührt.