Vielleicht schwebte Johann Sebastian Bach etwas Ähnliches vor, wie es das moderne Pianoforte inzwischen darstellt. Denn seine “Kunst der Fuge” erscheint, als sei sie für eine Art Idealtypus der im Barock vorhandenen Tasteninstrumente geschrieben, eine Mischung aus Cembalo, Clavichord, Orgel und Kammerorchester, mit den unterschiedlichen Farben und Assoziationen, die dadurch hervor gerufen werden. Für Pierre-Laurent Aimard jedenfalls ist der kontrapunktische Zyklus wie geschaffen, denn der französische Meisterpianist versteht es wie kaum ein anderer, mit den Andeutungen zu arbeiten, die den Werken Bachs innewohnen. So ist “Die Kunst der Fuge” ein Schmuckstück seiner Künstlerdiskographie und zugleich ein würdiger Einstand bei seinem neuen Label Deutsche Grammophon.
Pierre-Laurent Aimards musikalischer Lebenslauf ist in mancher Hinsicht ungewöhnlich. Profilieren sich die meisten jungen Pianisten zunächst durch Interpretationen berühmter Klassiker, fand der Künstler aus Lyon bereits als Teenager zur zeitgenössischen Musik. Damit hängt sicherlich zusammen, dass der Newcomer als Zwölfjähriger dem Komponisten Olivier Messiaen vorgestellt wurde und dieser in dem Jungen einen Interpreten entdeckte, der seinen Klangvorstellungen besonders passgenau entsprach. Jedenfalls kannte man Aimard bereits in den frühen Siebzigern als Messiaen-Experten, der bald auch eng mit György Ligeti zusammenarbeitete und von Pierre Boulez 1976 als erster Solopianist ins Ensemble Intercontemporain geladen wurden, eine Position, die er immerhin 18 Jahre lang bekleidete.
Er ging den umgekehrten Weg, von der Gegenwart zurück in die Vergangenheit und ist nun bei einem der Grundlagenwerke der Musikgeschichte überhaupt gelandet, Johann Sebastian Bachs “Die Kunst der Fuge” – nachdem er schon länger mit dem Gedanke gespielt hatte, sich damit ausführlich zu beschäftigen: “Der Plan zu dieser Aufnahme, die mir sehr am Herzen liegt, entstand tatsächlich schon vor langer Zeit. Seltsamerweise war er zunächst mit den Etüden von Ligeti verbunden. Nachdem ich 1994 die Etüde Nr.14 uraufgeführt hatte, riet mir der Widmungsträger des Werks, Vincent Meyer, unbedingt dieses andere Meisterwerk der Polyphonie aufzunehmen: Die Kunst der Fuge. Sein hartnäckiges Drängen über viele Jahre hat mich nach und nach überzeugt, dass das Projekt nicht so unrealisierbar ist, wie es zunächst schien”.
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