Opernliebhabern ist Patricia Petibon längst ein Begriff. Schließlich singt die 38-jährige Sopranistin aus Montargis schon seit rund einem Jahrzehnt an den großen Bühnen von Paris bis Wien und Zürich bis Buenos Aires. Dreimal hat sie bereits den begehrten “Victoires de la Musique Classique” überreicht bekommen, 1998 noch als “Beste Nachwuchssängerin”, 2001 und 2003 dann als “Beste Opernsängerin”. Petibon ist eine großartige Darstellerin, für die Singen nicht allein das Vortragen wunderbarer Musik ist, sondern ein Prozess der Verinnerlichung der Rollen und deren charakterlicher Besonderheiten. Da liegt es nahe, für das Solo-Debüt bei der Deutschen Grammophon, mit der die Künstlerin seit diesem Jahr exklusiv verbunden ist, ein Programm zusammenzustellen, das wie “Amoureuses” mit einer derartigen Vielfalt der Figuren und Schattierungen arbeitet.
Auf den ersten Blick ist es ein Album mit Opernarien von Christoph Willibald Gluck, Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart, drei Schlüsselgestalten an der Epochengrenze zwischen Barock und Klassik, der so genannten Vorklassik. Doch es steckt noch erheblich mehr dahinter. “Es ist eine musikalische, vokale, aber auch theatralisch dramaturgische Annäherung”, erklärt die charmante Sopranistin ihre Auswahl. “'Amoureuses' zeigt Persönlichkeiten, die aber vielleicht auch nur Facetten einer einzigen Frau sind. Auf der eine Seite etwa die Barbarina aus ‘Le nozze di Figaro’, die von einer großen Reinheit ist, auf der anderen die Königin der Nacht aus der ‘Zauberflöte’, eine reife Frau, die einmal geliebt, nun aber den Weg verloren hat und nur noch sich selbst und die Macht liebt”.
Es ist ein Programm über die Liebe in ihren verschiedenen Facetten der Emotionen, die von wohligem Schauer über Verzückung bis Wut und Hass reichen. Und es ist in mehrfacher Hinsicht interessant, dass Petibon diese Vielfalt bereits innerhalb eines vergleichsweise kleinen geschichtlichen Intervalls findet, dass also derartige Figurenportraits bereits im ausgehenden Barock umfassend angelegt sind. Es ist eine Zeit, mit der sich die Sängerin gut auskennt, denn sie gehört zu den Hauptinteressen zweier großer Dirigenten, die den künstlerischen Werdegang Petibons nachhaltig geprägt haben: “Ich komme aus zwei Schulen, aus jenen von Nikolaus Harnoncourt und William Christie. Beide haben mich sehr beeinflusst, haben mir beigebracht, Musik auf die eigene, ganz persönliche Weise zu interpretieren und mir selbst treu und anderen gegenüber authentisch zu bleiben”.
William Christie zum Beispiel wurde Mitte der 1990er Jahr auf die Meisterschülerin des Pariser Konservatoriums aufmerksam und lud sie ein, mit ihm und dem Barockorchester Les Art Florissants zu arbeiten. So kam es, dass Patricia Petibon sich bald auf den berühmten Bühnen wieder fand. Mit Christie gastierte sie an der Mailänder Scala und dem Teatro Colón in Buenos Aires, beim Festival in Aix-en-Provence oder auch in der Londoner Wigmore Hall. Vor dort aus wiederum war der Sprung nicht mehr so schwer auf andere wichtige Bühnen und als sie dann auch noch regelmäßig mit dem Spezialisten für alte und authentische Musik Nikolaus Harnoncourt zusammentraf, war der Grundstock für eine glänzende Karriere gelegt.
Für das Album “Amoureuses” schließlich tat sie sich mit einem weiteren Meister seines Fach zusammen: “Faszinierend an Daniel Harding finde ich, dass er nicht nur ein ungemein intelligenter, visionärer Musiker und Vermittler von großen Emotionen ist, sondern auch, dass es bei ihm fast keine Worte braucht – man versteht sich ohne Worte. Von Anfang an bestand eine geradezu symbiotische Verbindung zwischen dem Orchester, dem Dirigenten und mir. Es war eine wahre Freude!”. Und das wiederum hört man Petibon, Harding und dem Concerto Köln bei jedem Ton dieses intelligenten und faszinierenden Solo-Debüts an.
In Deutschland ist diese einzigartige Kooperation übrigens am 21.12. im Sendesaal des WDR in Köln zu bewundern.