Patricia Petibon hatte die richtigen Lehrer. Nachdem die junge Sopranistin aus Montargis ihr Studium am Pariser Konservatorium 1995 mit Auszeichnung beendet hatte, wurde bald der amerikanische Cembalist und Orchesterleiter William Christie auf sie aufmerksam. Selbst einer der neugierigsten Intellektuellen des Geschäfts mit großer Affinität zu historischer Forschung, förderte er bei der Studentin den umfassenden Blick auf die Musik und engagierte sie für Projekte mit seinem renommierten Ensemble Les Arts Florissants. Damit gelang Patricia Petibon einerseits ein bravuröser Karrierestart, der sie bald an die Pariser Opéra und die anderen großen Häuser der Opernwelt führte. Ihre Arbeit mit Christie, Nikolaus Harnoncourt oder Jordi Savall sorgte aber auch dafür, dass sie ihre Sinne für die Gesamtheit des Ausdrucks schärfte. „Gesang ist eine Kunst des Augenblicks, die unsere Phantasie beflügelt,“ lautet Petibons künstlerisches Credo. „Alles um mich herum, Jazz, Rock, Weltmusik, hat Einfluss auf meinen Gesang. Es ist die Suche nach einem neuen Klang, die mich antreibt, die die Arbeit mit den Dirigenten, Orchestern und Musikern, mit denen ich zusammenkomme, wie hier Andrea Marcon, für mich so spannend und faszinierend macht.“
Eine neue Welt
Nachdem Patricia Petibon mit früheren Aufnahmen wie Amoureuses (2008), Rosso (2010) oder Melancholia (2011) bereits ihr Gespür für konzeptuell zusammenhängende Programme bewiesen hat, führt sie ihr neuestes Projekt Nouveau Monde nun sowohl in die Welt des Barock wie auch darüber hinaus: „Mit dieser CD ist ein Traum Wirklichkeit geworden, den ich schon lange Jahre gehegt habe: Es ist ein Experiment mit neuen Klängen, neuen Texturen, beigesteuert von Schlagzeug und exotischen Instrumenten. Die Vorstellung von der Eroberung einer Neuen Welt hat mich auch an die unglaublichen menschlichen Abenteuer denken lassen, die die Entdeckung von Nord- und Südamerika unweigerlich mit sich brachten. Die tragischen Aspekte dieses Kapitels der Geschichte sind bekannt, doch hat die Auseinandersetzung zwischen den Kulturen auch einen faszinierenden künstlerischen Austausch in Gang gesetzt. Noch heute reisen die Musiker der Anden mit ihrer Musik um die Welt und lassen sich dabei von unserer Musik beeinflussen.“
Barock ganz anders
Vor diesem Hintergrund hat Patricia Petibon zusammen mit dem Cembalisten und Orchesterleiter Andrea Marcon ein außergewöhnliches Programm zusammengestellt, dass Volksweisen wie „J’ai vu le Loup“, „Greensleeves“ oder „Tonada El Congo a voz y bajo para bailar cantando“ Arien aus Marc-Antoines Charpentiers „Medée“, Henry Purcells „Dido And Aeneas“ oder der „Danse du Grand Calumet de la Paix“ von Jean-Philippe Rameau gegenüberstellt. Eine Zarzuela von José de Nebra von 1744 trifft auf eine Pasacalle von Henry Le Bailly aus dem 17.Jahrhundert und sogar eine selten aufgeführte weltliche Kantate in spanischer Sprache von Georg Friedrich Händel, die der Meister 1707 in Rom für Kardinal Ottoboni komponiert hatte, gehört zum Programm. Zusammengehalten wird diese akustische Reise einerseits von Patricia Petibons bezaubernd klarem und mitreißendem Sopran, aber auch von den unter Andrea Marcons Leitung perfekt harmonierenden Solisten und den Ensemblemitgliedern des La Cetra Barockorchesters Basel und des La Cetra Vokalensembles. Es gehe ihr um „die Eroberung eines neuen Publikums, das Glück, all das mit Menschen zu teilen, die aus verschiedenen Welten kommen“, meint Patricia Petibon im Interview zu Nouveau Monde. Die Chancen stehen gut, dass ihr das mit diesem Album gelingt.