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Moby
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Biografie

»Reprise« ist für Moby eine Gelegenheit, sich in persönliche Höhepunkt seines Schaffens noch einmal auf ganz andere Art zu vertiefen. Gemeinsam mit dem ungarischen Budapest Art Orchestra hat er einige seiner bekanntesten Rave-Klassiker neu interpretiert. Manche dieser Fassungen sind jetzt sparsamer, langsamer, verletzlicher, andere schöpfen das fulminante Potenzial eines Orchesters aus. Drei Jahrzehnte nach Mobys Karrierebeginn ist »Reprise« weniger eine Greatest-Hits-Platte als vielmehr ein Nachdenken darüber, wie sich Kunst im Lauf der Zeit an unterschiedliche Settings und Zusammenhänge anpassen kann.

Vor 30 Jahren war Moby ein Underground-DJ in New York. Weithin bekannt machte ihn »Go«, ein elektronischer Dance-Track. Damals wie heute aber blieb Mobys Weg unkonventionell und verschlungen, voll schwindelerregender Gipfel und dunkler Täler. Nur seine Kunst ist darin Konstante, entstanden aus Neugier und Enttäuschung, Spaß und Möglichkeit. Obgleich er in der Musik seiner Zeit auf eine der längsten und eigenwilligsten Karrieren zurückblickt – mit über 20 Millionen verkauften Alben –, lehnt er es eigentlich ab, überhaupt an Karriere zu denken. »Mir ist klar, dass das simpel klingt, aber ich liebe es nun mal, etwas zu machen«, sagt er am Telefon in seinem Studio in Los Angeles und seine Ehrlichkeit ist entwaffnend. »Seltsamerweise mag ich es nämlich gerade nicht, mich selbst oder meine Karriere zu ernst zu nehmen. Ohne Weiteres könnte ich 500 Musiker und Songwriter nennen, die ich für wesentlich besser halte als mich. Ich habe schlicht das Glück, dass ich ab und zu an Musik arbeite und sie jemandem zu gefallen scheint.«

Der Gedanke, Songs seiner Vergangenheit erneut durchzusehen und zu gestalten, entstand vor etwa sieben Jahren, erinnert sich Moby. Mit der mächtigen Maschinerie von weltweiten Tourneen hatte er damals abgeschlossen, er hasste sie. Stattdessen hatte er sich für abgespeckte akustische Auftritte entschieden in Nachbargärten und auf kleinen Bühnen. »Da gab es diese ungeschminkte Verletzlichkeit«, sagt er über die bescheidenen Sets, »und genau diese emotionale Direktheit hat mich angesprochen, gerade im Kontrast zum fabrizierten Pomp der etablierten großen Konzerte.«

Nachdem Moby ein Konzert von Bryan Ferry in Los Angeles besucht hatte, kam er mit der Konzertplanerin des LA Philharmonic ins Gespräch. »Sie fragte mich, ob ich nicht daran interessiert sei, ein orchestrales Liveset mit dem LA Philharmonic zu machen. Natürlich dachte ich, dass sie mich auf

den Arm nehmen will, und erwiderte, dass das wohl eher was für echte Künstler sei.« Sein Gegenüber war anderer Meinung. Und im Oktober 2018 gab Moby sein Orchesterdebüt mit Gospelchor: Am Dirigentenpult stand Gustavo Dudamel und Eric Garcetti, Bürgermeister von L.A., saß am Klavier. An jenem Abend sprach Deutsche Grammophon Moby hinter der Bühne an, ob er sich ein Orchesteralbum vorstellen könne. Und Moby schlug ein. Mit Klassik nämlich war er aufgewachsen. Bevor er in Punkbands spielte und eigene elektronische Musik produzierte, hatte er sie sogar studiert.

Wie so oft begann die Aufnahme von »Reprise« klein – im Studio von Moby. Er wählte die Titel aus und erarbeitete in einem ersten Wurf die Orchesterarrangements. Weiter ging es im Studio 3 der East- West Studios von Los Angeles (schon Brian Wilson hatte hier »Pet Sounds« aufgenommen), um Klavier und Gitarre, Schlagzeug und Percussion sowie ein Kammerorchester einzuspielen. Danach verlegte Moby die Produktion nach Ungarn, wo das Budapest Art Orchestra wartete. Moby aber blieb in den Staaten, ohne jegliche Erfahrung mit Orchesteraufnahmen hätte er nur im Weg gestanden, war seine in letzter Minute gefasste Meinung. »Meine Anwesenheit in Budapest hätte eher zeremoniellen Charakter gehabt, es gab keinen wirklichen Grund dafür«, erklärt er. »Ich hatte das Wesentliche der Arrangements in L.A. gemacht, für die Orchestrierung musste ich sie in die Hände von jemandem legen, der tatsächlich weiß, wie man 100 klassische Musiker dazu bringt zusammenzuspielen.«

Die Auseinandersetzung mit der Orchesterversion vertiefte sein Nachdenken. Wo liegt der Sinn der Musik, gerade wenn sie nicht in aktuelle Trends passt? »Sorry, aber das mag selbstverständlich klingen, doch für mich liegt der Sinn und Zweck von Musik im Vermitteln von Emotionen, im Teilen eines Aspekts der menschlichen Verfassung mit jemandem, der gerade zuhört.« Obwohl Moby einige aktuelle Pop- und Hip-Hop-Platten gefallen, frustriert ihn doch der Mangel an Empfindsamkeit, der sich in vielen heutigen Musikstücken zeigt. »Ich kann durchaus einiges von dem, was man gerade zu hören bekommt, genießen, aber ich sehne mich nach der Einfachheit und Verletzlichkeit, die man mit akustischer oder klassischer Musik erreichen kann.«

Und er fährt fort: »Ich will natürlich nicht wie einer der Alten klingen, aber für mich fühlt sich die heutige Musik nur selten authentisch an. Jeder Indie-Rocker will cooler wirken, als er ist, jeder Rapper härter und frustrierter, jeder Popmusiker sexier. Aber manchmal will man einfach eine direkte, ehrliche Kommunikation. Bringt man akustische und klassische Instrumente ins Spiel, erhöht sich die Möglichkeit zu einem unmittelbaren, sensiblen Austausch. Ich weiß nicht, ob ich das mit ›Reprise‹ erreicht habe. Aber es war mein Ziel.«

Adjektive wie schön, groß und atemberaubend kommen in den Sinn beim Hören der Stücke – »Natural Blues« beispielsweise mit seinem akustischen Strumming und wenigen Geigen, die den Gesang von Gregory Porter und Amythyst Kiah einleiten, oder »Porcelain«, das der brillante Jim James mit solcher Tiefe zum Ausdruck bringt, oder »Extreme Ways«, wo Moby alles von sich offenlegt. Diese Meditationen, oft von klagenden Streichern begleitet, werden in einen neuen Kontext gestellt und zeugen doch vom Original und der tiefen, breiten Skala der Gefühle, die sich in Mobys Arbeit findet.

»The Lonely Night«, mit Kris Kristofferson und Mark Lanegan, ist eines von Mobys persönlichen Lieblingsstücken auf dem Album: »Den Song kennen nur wenige, aber mir ist er so wichtig, dass es zur Schlägerei gekommen wäre, wenn jemand beim Label ihn nicht gewollt hätte – und ich bin Pazifist.« Bei der Auswahl der Titel interessierte Moby eine Balance zwischen dem Populären und dem Privaten seiner Musik. »Jeder Musiker möchte, dass sich die Leute die obskuren B-Seiten anhören, aber natürlich will das Publikum die Songs hören, die sie kennen und lieben.« Bei den Hits auf »Reprise« stellte sich Moby vor, wie die Neubearbeitung für einen Fan klingen würde. Und bei den Sängern achtete er eher auf die Emotion in der Stimme als auf den Bekanntheitsgrad des Interpreten oder virtuoses Können.

Moby selbst kann nicht sagen, wie sich das Projekt, in dem er Songs seiner Vergangenheit in seine Gegenwart holt, auf ihn ausgewirkt hat. Von anderen hat er im Laufe der Jahre erfahren, dass seine Musik an einem Ort zwischen Trauer und Freude existiert, doch ist sie weder übertrieben verzweifelt noch ekstatisch. »Es gab solche Titel, ohne Hoffnung oder in Euphorie, aber meistens erzählt meine Musik vom bittersüßen Dazwischen.« So ist es auch auf »Reprise«. Die Musik achtet die Vergangenheit, vertieft die Gegenwart und lässt die Frage offen, was als Nächstes kommt.

Ein Highlight auf dem Album ist die Coverversion von David Bowies »Heroes«, ein Stück, das Moby einen Lieblingssong nennt und den er einst zusammen mit Bowie in seiner Wohnung gespielt hat. Bowie, New Yorker Nachbar in seiner Straße, sei für ihn so etwas wie ein älterer Bruder gewesen. »Wenn man ›Heroes‹ covert, könnte man sich auch gleich an die Sixtinische Kapelle oder den ›Paten‹ machen. ›Heroes‹ ist einer der fünf beliebtesten Songs der letzten 100 Jahre. Was ich da tue, ist eine Herausforderung und natürlich anmaßend. Ich wollte es trotzdem, weil ich ›Heroes‹ so liebe. Diese Erfahrung, ›Heroes‹ mit David auf der Akustikgitarre zu spielen, gehört zu meinen schönsten Erinnerungen«, sagt Moby. »Wir beide saßen in meinem Wohnzimmer vor unserem Kaffee. Leider haben wir das nie aufgenommen. Die akustische Version auf dem Album ist wie ein Liebesbrief an diese Erinnerung.« In Mindy Jones’ Stimme spiegelt sich das in aller Offenheit.

Und auch sonst ist »Reprise« ein Liebesbrief – ans eigene eigenwillige Leben und die Karriere, die sich daraus ergab, und geschrieben wie von Proust. Aber »Reprise« ist auch ein Dank, an das, was er schaffen konnte, vor Menschen und an Orten, mit denen er nicht gerechnet hatte. Und manchmal finden sich leise Anklänge an den Ort, an dem alles begann – zu Hause allein in einem Zimmer mit ein paar Maschinen. »Meine Musik ist auf eine klösterliche, strenge Art entstanden«, sagt Moby. »Es ist eigenartig, etwas spät nachts allein in einem kleinen Raum zu schreiben und es dann in die Welt zu entlassen, wo es ein völlig anderes Leben annimmt. Wenn ich früher auf Tour war und einen Song wie ›Porcelain‹ auf der Bühne vor 500 000 Menschen spielte und sie alle mitsangen, dachte ich: »Huh, das habe ich ganz mit mir allein um zwei Uhr morgens geschrieben und hätte nie erwartet, dass es jemals jemand hört.«

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