Mit dem Album “White Black Boy” erscheint bei Deutsche Grammophon am 19. April ein bislang unveröffentlichter Soundtrack des verstorbenen isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson.
Mit Jóhann Jóhannsson verstarb vor über einem Jahr einer der innovativsten und spannendsten Komponisten der Gegenwart, der in seinen Werken virtuos mit verschiedensten Stilrichtungen und Klangformen spielte. Insbesondere mit seinen Soundtracks zu zahlreichen Filmen (The Theory of Everything, Arrival, Sicario u.v.a.) definierte der ebenso ideenreiche wie produktive Komponist neue Maßstäbe und zeigte sich darin als packender Geschichtenerzähler mit großem Feingespür für die jeweiligen Charaktere und dramatischen Wendungen. In Erinnerung an den isländischen Klangpoeten werden bei Deutsche Grammophon nun etliche seiner Werke neu wiederveröffentlicht. Eine Ausnahme bildet “White Black Boy”, der bis dato unveröffentlichte Soundtrack zum gleichnamigen dänischen Dokumentarfilm, der am 19.4. nun beim gelben Label erstmals als digitales Album erscheint.
Jóhann Jóhannsson nahm in der Szene der zeitgenössischen Komponisten eine Vorreiterrolle ein und führe in seiner Musik kunstvoll minimalistische Sequenzen, traditionelle und elektronische Klänge zusammen und ließ sie in dicht orchestrierten Partituren verschmelzen. Dabei nahm auch die Stille einen ganz wesentlichen Platz ein und betörten seine Kompositionen als atmosphärische Klangbilder mit subtiler Kraft und hypnotischer Wirkung. Mit dieser klangmalerischen Intensität erreichte Jóhannsson gerade als Filmmusik-Komponist eine einzigartige Ausdrucksdichte, die auch das neue Album “White Black Boy” eindrucksvoll offenbart.
Der Dokumentarfilm “White Black Boy” setzt sich mit einem komplexen Thema auseinander und gewährt den Zuschauern einen ebenso berührenden wie verstörenden Einblick in den vom Aberglauben geprägten Umgang mit Albinismus in Tansania. Albino-Körperteile und -blut werden dort in den Zaubertränken von Hexenärzten verwendet und für große Mengen an Geld gehandelt und verkauft; Albinos leben in ständiger Bedrohung und Gefahr. Um die Albino-Kinder zu schützen, werden sie von der Regierung in Internate geschickt, in denen sie weit weg von ihren Familien aufwachsen. Dort leben sie mehr oder weniger verlassen in einer Welt ohne Erwachsene, kleine Kinder kümmern sich um noch kleinere. Der Film “White Black Boy” taucht in eben diese Welt ein und begleitet den Jungen Shida, der, wie die meisten Kinder mit Albinismus im Land, seinen Eltern weggenommen wurde, um vor den mit Hexerei verbundenen Morden geschützt zu sein.
Die Geschichte des Albinokinds Shida ist ein beklemmender und dramatischer Stoff, der von Jóhannsson in seiner Musik ungemein sensibel und einnehmend umgesetzt wurde. Dabei zieht seine Tonsprache mit unausweichlicher Dichte und flirrender Präsenz in den Bann und fängt die angstvolle und haltlose Grundstimmung des Films packend ein. Jóhannsson selbst meinte einmal, er sei besessen von der Beschaffenheit des Klangs und versuche in seiner Musik, auf möglichst minimalistische Art gleichsam die Essenz der Musik zu destillieren und ihren ursprünglichen Kern freizulegen. In seiner Musik zu “White Black Boy” ist ihm dies auf eindrückliche Weise gelungen.