Mit tiefem Bedauern müssen wir, die Deutsche Grammophon, Sie über den Tod eines der größten Dirigenten dieses und des vergangenen Jahrhunderts informieren. Unser Label ist stolz darauf, Claudio Abbado in den zurückliegenden 46 Jahren bei seinen musikalischen Aktivitäten begleitet und das Privileg genossen zu haben, sein Werk durch unsere Einspielungen zu dokumentieren.
Frank Briegmann, President Central Europe & Deutsche Grammophon Universal Music International: “Claudio Abbado hat die Musikwelt verändert. Durch sein Werk genauso wie durch seine Persönlichkeit. Er setzte konsequent auf den Dialog und betonte damit das Miteinander, das seine Musik so lebendig machte. Darüber hinaus tat er sich auch als großer Förderer junger Talente hervor. Ich bedauere sehr, dass unsere Pläne für die Zukunft nun unvollendet bleiben. Gleichwohl ist die Gewissheit tröstlich, dass Claudio Abbados Geist auch nach seinem Tod weiterleben wird – in seinen Aufnahmen genauso wie in dem, was er anderen Künstlern mitgegeben hat.”
Mark Wilkinson, Präsident der Deutschen Grammophon: “Die Welt hat einen ihrer inspiriertesten Musiker unserer Zeit verloren, einen Mann, der sich vollständig in den Dienst der von ihm dirigierten Musik gestellt und damit den Zuhörern das Gefühl vermittelt hat, diese Musik zum allerersten Mal zu hören.”
Claudio Abbado wird nicht nur für seine Fähigkeit, die Geheimnisse von Musik mit unfehlbarer Klarheit aufgedeckt zu haben, in Erinnerung bleiben, sondern auch für sein unermüdliches Wirken und sein kommunikatives Talent, mit dem er Musiker förderte, Orchester gründete und Festivals ins Leben rief.
Als das Magazin Gramophone Claudio Abbado 2012 unter die “50 Personen, die die klassische Musik veränderten” gewählt hatte, schrieb Douglas Boyd: “Was Claudio Abbado zu einem großen Musiker macht, ist sein Humanismus, seine außerordentliche Fähigkeit, den Klang eines Orchesters vermittels einer einzigen Geste zu verändern… seine Aufführungen können ein Leben verändern.”
Abbado, dessen erste Aufnahme für Deutsche Grammophon aus dem Jahre 1967 und seine letzte von 2013 stammt, hinterlässt eine bemerkenswerte Diskographie, welche seine persönliche Entwicklung als Musiker ebenso bezeugt wie seine besondere Affinität zur Musik von Beethoven, Schubert, Mendelssohn, Rossini, Verdi, Mussorgski, Mahler, Debussy und Ravel. Darüber hinaus sein Engagement für zeitgenössische Kompositionen dokumentiert und seine Errungenschaften mit Institutionen, denen er als musikalischer Direktor diente und welche ihrerseits wiederum sein künstlerisches Profil schärften: die Mailänder Scala (1968–86), das London Symphony Orchestra (1979–87), die Wiener Staatsoper (1986–91) sowie die Berliner Philharmoniker (1989–2002).
Viel von seiner Zeit widmete er dem musikalischen Nachwuchs, gründete und leitete das European Union Youth Orchestra, welches 1981 im Chamber Orchestra of Europe aufging. Mit diesem Orchester spielte er Rossinis Il viaggio a Reims sowie den Zyklus aller Schubert-Symphonien ein (und erhielt dafür die Gramophone-Auszeichnungen “Record of the Year”in den Jahren 1986 bzw. 1988). Nachdem er die Berliner Philharmoniker 2002 verlassen hatte, setzte er seine Arbeit mit dem COE und dem Mahler Chamber Orchestra fort, bevor er 2003 das Lucerne Festival Orchestra und ein Jahr später das Orchestra Mozart in Bologna gründete.
Und es gab weitere wichtige Veröffentlichungen: aus Anlass seines 80. Geburtstages im Juni 2013 erschien bei der Deutschen Grammophon eine 41-CD-Edition mit den wichtigsten Aufnahmen des symphonischen Kern-Repertoires. Im selben Jahr folgten auf dem Gelblabel die Einspielungen von Schumanns 2. Symphonie und Klavierkonzerten von Mozart mit dem Orchestra Mozart und der Solistin Maria João Pires. Eine weitere Aufnahme von Mozarts Klavierkonzerten in d-Moll KV 466 und C-Dur KV 503 mit Martha Argerich als Solistin steht unmittelbar vor ihrer Veröffentlichung.
Abbados musikalische Herangehensweise, die er in die Worte kleidete: “der Begriff‚ großer Dirigent hat für mich keine Bedeutung – es ist der Komponist, welcher groß ist”, war für ihn keine bloße Rhetorik. Nach gründlichster Vorbereitung und intensivem Quellenstudium dirigierte er alles aus dem Gedächtnis. Einmal von der physischen Präsenz der Partitur befreit, war es eben seine Fähigkeit zum genauen Zuhören, welche seine Interpretationen zum einmaligen Ereignis werden ließen. In einem Interview für The Guardian aus dem Jahre 2009 formulierte Abbado sein Credo: "Für mich ist Zuhören das Allerwichtigste: einander zuhören, zuhören, was andere Menschen zu sagen haben, auf die Musik hören.“