Mit ihrem Debüt bei Deutsche Grammophon öffnet sich Balmorhea neuen Blickwinkeln, Meditationen über die Natur und ihre Zerbrechlichkeit beispielsweise, den Gedanken der Klimaaktivistin Greta Thunberg, die den Atlantik auf einem Katamaran überquerte, oder dem Erzählstoff über einen Heiligen, der den Wind in ein französisches Tal trug. The Wind heißt ihr Album so auch. Es erscheint am 9. April 2021 auf CD, Vinyl und digital. Vorab kommt eine e-Single heraus: »Rose in Abstract«; der zweite Track der Veröffentlichung ist ab dem 12. Januar verfügbar.
Die Neuausrichtung von Balmorhea ist zugleich auch eine Rückkehr zu Anfängen, die Musiker arbeiten hier, wie zu Beginn ihrer Karriere, als Duo. Ein ernstes Thema trieb Rob Lowe und Michael A. Muller um und findet auf The Wind seinen Widerhall – der Klimawandel und sein erschreckender Fortgang. Lowes und Mullers Musik ist eine zeitgemäße Reflexion über die Notwendigkeit, unseren Planeten zu schätzen und zu schützen. Und sie ist eine Erinnerung, dass der Mensch in einer Verbindung mit der Natur Trost finden kann. The Wind lädt ein in eine stimmungsvolle Klanglandschaft, in der ein Echo des Wehens von Gebetsfahnen in einer Brise des Himalaja ebenso zu hören ist wie Harmonium, Pfeifenorgel, ein Kontrabass-Trio, Windspiele oder Gitarre und Klavier.
Das Album wurde im Saal 3 vom Funkhaus Berlin aufgenommen, wo auch Lowes und Mullers Freund Nils Frahm – seines Standes Multiinstrumentalist, Komponist und Produzent – zu Hause ist. Bei »Rose in Abstract«, bei dem das Duo erstmals gemeinsam Klavier spielt, hört man zu Beginn Frahms Pfeifenorgel, später dann den Hornisten Morris Kliphuis (stargaze collective), die Cellistin Clarice Jensen und die Sängerin Lisa Morgenstern. Jonathan Low koproduzierte die Aufnahme, ein Grammy-prämierter Tontechniker und Produzent, bekannt für seine jüngsten Projekte mit Taylor Swift, Caroline Shaw und Sō Percussion.
Balmorhea (ausgesprochen bal-mə-RAY) wurde 2006 gegründet, als sich Lowe und Muller in einem Sommercamp im abgelegenen Texas Hill Country begegneten und gemeinsam Musik machten. Zurück in Austin begannen sie, mit Gitarre und Klavier Musik zu komponieren, in der die zerklüftete Weite ihres texanischen Heimatstaates ein Abbild fand. Schon bald spielten die beiden mit einem Ensemble und tourten durch die Vereinigten Staaten und Europa. Fünf Jahre vergingen so. Erst als Mitglieder ihres Ensembles aus Texas wegzogen, nutzten Lowe und Muller eine Tourneepause, um wieder gemeinsam zu improvisieren und zu experimentieren. The Wind entstand und mit dem Album die Zusammenarbeit mit Deutsche Grammophon.
»Wie so oft im Leben scheinen die besten Dinge ganz von selbst zu passieren, sie werden nicht erzwungen«, sagt Rob Lowe. »Man kann ja durchaus furchtbar viel Zeit und Kraft darauf verwenden, den Möglichkeiten nachzujagen, aber wir kamen einfach durch eine persönliche Bekanntschaft zu Deutsche Grammophon. Zwischen Christian Badzura, Deutsche Grammophons Vice President A&R New Repertoire, seinem Team und uns stimmte es auf Anhieb. Und natürlich sind wir begeistert und fühlen uns sehr geehrt, nun bei einem solch unglaublichen Label zu sein.«
Unter einem offenen Himmel in felsigem Terrain und der tiefen Ruhe der texanischen Gegend entwickelten sich die Ideen für The Wind, in einem Haus am Fluss Llano nämlich, etwa zwei Autostunden von Austin entfernt. »Wir nutzten diesen Raum und begannen damit, über unsere Träume zu sprechen und auch darüber, worauf es uns ankommt«, sagt Michael Muller. »Wir konnten nun für eine instrumentale Besetzung schreiben, ohne dabei an das Ensemble zu denken, und andere Stimmen in die Musik einbringen. Zum Beispiel kam uns in den Sinn, ob es nicht Spaß machen würde, ein Stück für Harmonium und Pfeifenorgel zu komponieren – und wir hatten die Freiheit, genau das zu tun.«
»The Wind ist ein Werk des Rückzugs«, ergänzt Rob Lowe. »Uns ging es darum, die Stadt zu verlassen, um an einem abgelegenen Ort zu arbeiten und nur aus uns selbst zu schöpfen. Ich glaube, das machte eine Musik notwendig, die in ihrem Ausdruck aufs Wesentliche reduziert ist. Und das war es, was wir im Grunde wollten. Mike und ich arbeiten seit fast 15 Jahren zusammen und da verändert sich dann manches nach und nach. Wir wussten, dass das Balmorhea-Projekt mehr Freiraum braucht, damit wir nicht irgendwann ausgebrannt sind. Und wir hatten das Glück, dass wir uns diesen Freiraum nehmen konnten.«
Im Sommer 2018 setzten sich Lowe und Muller an die Arbeit. »Wir haben versucht, uns auf den Kern dessen zu konzentrieren, was Balmorhea am Anfang war, als wir einfach in irgendeinem Raum saßen und Musik machten«, sagt Lowe. »Wir wollten nicht so sehr aufs Aufnahmestudio als Instrument angewiesen sein. Es ging schlicht darum, dass wir am selben Ort waren und Stücke komponierten, die in ihrer einfachsten Form aufgingen, ohne die Notwendigkeit von Layering und Studiotechnik. Wir haben versucht, uns auf diese Einfachheit und unser Miteinander zu besinnen.«
Der kreative Prozess sei mühelos gewesen, sagt Muller. »Einer von uns hatte einen Einfall, nahm ein Demo mit dem Telefon auf und teilte es. Dann suchten wir uns die heraus, die bei jedem von uns die größte Resonanz fanden und konzentrierten uns auf sie. Etwa fünf Tracks auf The Wind entstanden in einer sehr unmittelbaren Zusammenarbeit, mit Klavier und Gitarre gemeinsam in einem Raum. Ein andermal spielte sich Rob eines Morgens im River House mit ein paar Akkorden warm und ich rief: ›Spiel weiter, ich hol die Mikrofone!‹ Und das wurde der erste Song des Albums.«
Gegen Ende dieser Zeit entdeckte Lowe eine Übersetzung der Otia imperialia, einer Enzyklopädie aus dem 13. Jahrhundert, in der auch Sagen und Wundergeschichten stehen, unter ihnen »Der Wind, den der heilige Caesarius in seinem Handschuh einschloss«, in der der Erzbischof von Arles eine Meeresbrise in ein verlassenes Tal trägt, um den Ort »fruchtbar und gesund« zu machen. Das Bild des lebensspendenden Windes in dieser Geschichte traf den Nerv des Duos. »Für mich war es eine Metapher für die Musik, die wir machen«, sagt Lowe. »Ich möchte das jetzt nicht groß ausführen, denn es kommt in der Musik zum Ausdruck, aber der Wind steht hier für Erneuerung.«
The Wind wurde von Jonathan Low im Studio Long Pond gemischt und gemastert, Low betreibt es in Upstate New York für Aaron Dessner und The National. Weitere neue, aber auch vertraute Mitspieler sind die Bassisten Sam Pankey, Alex Browne und James Suter sowie der Bassklarinettist Jonathan Sielaff im Stück »La Vagabonde«, die Sängerin Jesy Fortino und der Schlagzeuger Jason Treuting in »The Crush« sowie die in Los Angeles lebende Lili Cuzor, die im ersten und letzten Track des Albums Auszüge aus einer französischen Übersetzung von Otia imperialia liest. Lisa Morgenstern singt außerdem in »The Myth« und – hoch über der instrumentalen Mischung schwebend – in »V«, in dem das Tal des Heiligen Caesarius heraufbeschworen wird.
»Balmorhea hat seinen Namen von einer kleinen Stadt in West-Texas«, sagt Michael Muller. »Es ist doch wirklich wie im Traum, dass wir aus dieser Gegend kommen und nun mit Deutsche Grammophon, ihren Interpreten und ihrem Vermächtnis an großartiger Musik verbunden sind. Schon jetzt ist daraus etwas entstanden – neue Verbindungen, auch mit Musikern aus anderen Bereichen. Die Aufnahme mit Clarice Jensen, die ihrerseits bereits mit Max Richter und Jóhann Jóhannsson gespielt hat, oder mit dem Produzenten Jonathan Low, der seinen eigenen Kreis in New York hat, sie lassen ganz neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit entstehen. Es ist spannend, sich auszumalen, was sich in Zukunft entwickeln kann.«