LP-Neuauflagen von Herbert von Karajan sind der Renner. Knapp drei Jahrzehnte nach seinem Tod ist das Interesse an dem Jahrhundertdirigenten ungebrochen.
Es ist, als wäre er noch unter uns, als hätte er das Pult nie wirklich verlassen und dirigiere auf ewig weiter. Jedenfalls lässt ihn jede Veröffentlichung neu aufleben, bringt ihn wieder und wieder ins Gespräch und vermittelt seine hohe Klangkunst an jüngere Generationen weiter. Der Faden scheint nicht abzureißen. Karajan lebt, und das Interesse an ihm ist inzwischen so stark, dass das Publikum immer näher an ihn heranzurücken versucht. Es möchte Tuchfühlung aufnehmen.
Es möchte nachempfinden, wie der Maestro gelebt hat, wie seine Zeit sich anfühlte, die Euphorie nachempfinden, die seine Zeitgenossen fühlen mussten, wenn wieder eine neue Platte von ihm auf dem Markt erschien. Neben dem differenzierten Klangbild ist es diese nostalgische Lust am Geschmack des 20. Jahrhunderts, die den Vinyl-Kult der vergangenen Jahre ausgelöst hat. Dass Karajan ein Vorreiter dieser Entwicklung werden würde, ist in vielerlei Hinsicht zwingend. Kein anderer Dirigent hat sich so intensiv mit den Chancen und Tücken der Studioarbeit befasst.
Herbert von Karajan liebte die moderne Technik. Sie bot ihm unermessliche Spielräume, seinen Perfektionismus auszureizen. Gemeinsam mit den Aufnahmeingenieuren des Gelblabels erarbeitete er sich Schritt für Schritt die bestmöglichen Klangergebnisse, und diesem Fleiß, dieser Freude am Detail ist es zu verdanken, dass seine überragenden Interpretationen romantischer Orchestermusik in vollendeter Klanggestalt vorliegen. Für Vinyl-Liebhaber, die gefühlsstarke Orchestermusik schätzen, ist dies eine glückliche Fügung.
Das audiophile Grundbedürfnis wird bei Karajan-Neuauflagen genauso befriedigt wie die Lust an hoher musikalischer Qualität. Das macht sich auch in der soeben erschienenen, durchnummerierten und limitierten Vinyl-Edition mit den vier großartigen Sinfonien von Johannes Brahms bezahlt. Die Aufnahmen stammen aus den Jahren 1959–1965. Es handelt sich um den ersten Brahms-Zyklus, den Herbert von Karajan mit den Berliner Philharmonikern aufgenommen hat.
Der Orchesterklang ist glasklar. Zugleich spürt man den romantischen Pulsschlag, diese fiebrige Sehnsucht, die Brahms so glänzend in Töne umzusetzen wusste. Die Platten sind klassisch auf 180g Vinyl gepresst. Das Remastering erfolgte im Rückgriff auf die Originalbänder in den legendären Emil Berliner Studios. Ein einmaliger Code zum Download von MP3s ist inklusive, und das 12-seitige Begleitheft mit den Originalbeiträgen von Friedrich Herzfeld und Heinz Becker bietet Lesegenuss pur, gepaart mit reichhaltigen Informationen.