Auf der Opernbühne ist der mexikanische Tenor Rolando Villazón ganz in seinem Element. Nirgendwo sonst wird leidenschaftlicher geliebt, gelitten und gestorben. Doch auf seinem neuen Album präsentiert der Sänger einmal ganz andere vokale Kompositionen von Gaetano Donizetti, Vincenzo Bellini, Giacomo Rossini und Giuseppe Verdi, die ansonsten vor allem für ihre dramatischen, tragischen und auch komischen Opern verehrt werden. Im reichhaltigen Oeuvre der Künstler erscheinen die Lieder wie kleine Delikatessen.
Rolando Villazón hat die ursprünglich für Stimme und Klavierbegleitung konzipierten Liedkompositionen kurzerhand für Orchester umgeschrieben. Wer die Opern der Komponisten im Ohr hat, wird sofort Anklänge und Querverbindungen in den Liedern feststellen können. “Beim Singen konnte ich im Kopf ein Orchester hören”, sagt Rolando Villazón. Beim Arrangieren und Instrumentieren hat der Sänger sich hörbar von den zeitgenössischen Klangfarben und Harmonieführungen des italienischen Komponisten Luciano Berio inspirieren lassen und kreiert dadurch ganz neue Klangzusammenhänge, die stilistisch jedoch wunderbar mit den Originalkompositionen zusammen passen.
Sobald die ersten Takte von Vincenzo Bellinis “Ma rendi pur contento” erklingen, wird man von der gänzlich unprätentiösen stimmlichen Präsentation gefangen genommen. Rolando Villazón interpretiert alle 16 Lieder durchweg mit einer unwiderstehlich charmanten Schlichtheit und einer ungekünstelten Liebe zum Detail, die einen ganz unmittelbar berührt.
Die meisten Lieder sind Frühwerke der vier bekannten italienischen Komponisten. Das war im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich, denn das Lied erfreute sich in den Salons der feinen Gesellschaft großer Beliebtheit und bot den Künstern noch dazu ein breites Spektrum, um das Spannungsfeld verschiedener Gefühle und Stimmungen auszuloten. “Müsste ich die unterschiedlichen Charaktere der Komponisten mit jeweils einem Wort zusammenfassen”, sagt Rolando Villazón selbst, “würde ich sagen: Bellini wirkt in diesen Stücken ätherisch, Donizetti eher bukolisch, Rossini sehr dionysisch, und Verdi ist der Humanist. Jeder hat seine künstlerische Persönlichkeit, und alle verstanden viel von der Stimme.”
In den ausgewählten Liedern kann man viele verschiedene Facetten der Komponisten entdecken. Bellinis beseeltes “Vaga luna, che inargenti” und das zärtliche “Malinconia, Ninfa Gentile” bezaubern durch innige musikalische Ausdruckskraft, wohingegen Rossinis “La danza” mit seinem unwiderstehlichen Tarantella-Rhythmus leichtfüßig und brilliant daher kommt. Herrlich instrumentiert ist Donizettis “L’amor Funesto”, in dem neben Rolando Villazón auch die Geigen und Holzbläser des Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino unter der Leitung von Marco Armiliato singen. In Donizettis “Il Sospiro” zeigt der Sänger satte, erdige Klangfarben, mit “Il Mistero” entführt er die Ohren in Giuseppe Verdis unverwechselbare musikalische Welt.
Musikalisches i-Tüpfelchen ist das gemeinsame Rossini-Duett “Les Amants de Seville” mit der Mezzosopranistin Cecilia Bartoli.
“Treasures of Belcanto” erfüllt den Liebhabern großer Gesangskunst mit herrlichen Melodien und vielseitiger Ausdruckskraft alle Herzenswünsche. In einer Sekunde fühlt man sich an Schubertlieder erinnert, im nächsten Moment denkt man an große Oper – das macht Rolando Villazóns neues Album so reizvoll.