Das war schon ein Auftritt! Wie immer barfuß und in bodenlanger, voluminöser, nachtblau glänzender Chiffon-Abendrobe betrat Measha Brueggergosman, jene 30-jährige, afro-kanadische Sopranistin, die sich gerade anschickt, die Opernwelt zu erobern, am vergangenen Montagabend die Bühne im ersten Stock des Berliner Clubs Berghain. Ihre Afro-Frisur macht sie mindestens 15 Zentimeter größer, was ihre ohnehin majestätische Erscheinung sicher nicht nötig hätte. Ein Raunen geht durch das dicht an dicht gedrängte Publikum, das sich im folgenden Feuerwerk schnell in stürmische Begeisterung verwandelt.
Das Programm, Cabaret Songs des 1938 geborenen amerikanischen Komponisten William Bolcom, die ebenfalls als Cabaretmusik konzipierten Brettl-Lieder von Arnold Schönberg, sowie einige Lieder Erik Saties, entspricht der Zusammenstellung der CD “Surprise”, ihrem am 14. März erscheinenden Debütalbum für Deutsche Grammophon – und dieses Repertoire paßt Measha Brueggergosman wie auf den Leib geschneidert. Gut möglich, dass Bolcom und Schönberg beim Komponieren einen Typ wie sie vor Augen hatten, einen Vulkan von einer Frau, deren Stil, deren fröhlich-liederlicher und anzüglich-selbstironischer Humor den Geist der großen Conférencières der 30er Jahre wiedererstehen läßt.
Die einenden Merkmale dieser Liedzyklen, subversiver Surrealismus, sinnliche Dekadenz, (damals) verbotene Wollüstigkeit, bereiten dieser Sängerin eindeutiges Vergnügen und werden in ihren immer wieder eingeflochtenen Conferencen um augenzwinkernde Ergüsse zu deftigen Themen wie “brazilian bikini wax”, “dirty old men” oder “looking like a drag queen” ergänzt. Einmal mehr hat ein klassischer Liveact die Berliner Clubszene zum Toben gebracht. Bleibt die Frage, ob Measha Brueggergosman die Chuzpe hat, ihr aktuelles Programm auch im Konzerthaus “kinda dirty” vorzutragen. Zuzutrauen wäre es ihr …
… übrigens: Ein Mitschnitt des Auftritts von Measha Brueggergosman zur Yellow Lounge in Berlin ist HEUTE um 20:00 Uhr bei ARTE Kultur zu sehen.