Kaum ein Stoff könnte besser passen für das erste Album des isländischen Komponisten Jóhann Jóhannsson bei Deutsche Grammophon, als die Geschichte von Orpheus und Eurydike in der Unterwelt. Als meisterhafter Klangmaler und musikalischer Erzähler scheinen der Künstler und sein eindringlich mystischer Stil wie geschaffen für die Ausdeutung des legendären Stoffes rund um Tod, Wiedergeburt, Schönheit und Liebe. Am 16. September erscheint das Album “Orphée” bei Deutsche Grammophon und nimmt den Hörer mit auf eine faszinierende Reise durch Schatten und Licht.
Jóhann Jóhannsson entzieht sich seit jeher dem stilistischen Schubladendenken und zeigt sich auch auf “Orphée” als poetischer Virtuose und fantasievoller Tonschöpfer, der in seiner Musik von traditionellen akustischen Klängen bis hin zur Verwendung elektronischen Materials eigensinnig und gekonnt das klangliche Spektrum ausschöpft. “Mich interessiert die Kunst, die sich nicht an Demarkationslinien hält, die versucht, Gattungsbeschränkungen zu überwinden”, sagt Jóhannsson selbst über seinen Ansatz. Darin sieht er die einzige Möglichkeit, etwas wirklich Neues zu schaffen fern der gewohnten Kategorien und Etiketten. Dass dies gelingen kann, hat der Golden Globe-Preisträger bereits vielfach in eindrucksvollen Filmmusiken bewiesen, auf “Orphée” zeigt er sich nun von einer noch intimeren Seite.
Im Zentrum des Albums steht der Orpheus-Mythos und die damit einhergehende Parabel über inneren Wandel und die Kurzlebigkeit der Erinnerung. Diese archaische Geschichte wurde in der Vergangenheit in vielfältiger Weise interpretiert und neuerzählt, von Ovid bis Cocteau reicht die Schar der Erzähler. All jene Werke hat sich Jóhannsson nun als Inspirationsquelle genommen und davon ausgehend seine ganz persönliche musikalische Interpretation des Stoffes entwickelt. Für Jóhann Jóhannsson geht es bei der Geschichte des Orpheus im Kern um Wandel, um “Veränderlichkeit, Tod, Wiedergeburt, das ungreifbare Wesen der Schönheit und ihre mitunter schwierige Beziehung zum Künstler.” Ausgehend von dieser tiefsinnigen Auslegung des Stoffs, gleicht das neue Album “Orphée”, das erste Soloalbum des Künstlers seit sechs Jahren, einer innigen musikalischen Meditation über die Rolle des Künstlers in der Welt, über die Wirkungskraft der Musik und nicht zuletzt über ihre bewegende Schönheit und Tiefe.
Die klangliche Palette des Albums ist denkbar breit und der Stoff rund um Orpheus‘ Ringen wird von Jóhannsson vielseitig und kunstvoll ausgedeutet: Mal solistisch, mal im Ensemble kommen akustische Instrumente zum Einsatz, großflächiger Orchestersound findet sich ebenso wie wispernde elektronische Klangmomente. Außerdem wurden in die Kompositionen Laute der “Nummernsender” auf Kurzwelle eingeflochten, was zu einem geheimnisvollen Gesamtsound beiträgt. Sechs Jahre lang hat sich der Komponist mit den Werken für sein neues Album auseinandergesetzt und diese Zeit als sehr emotionale Phase in seinem Schaffen erlebt: “Die Arbeit an Orphée war wahrhaft ein Werk der Liebe”, so Jóhannsson. “Die Musik blieb dabei immer aktuell, sie war ständig im Zustand der Bewegung und der Erneuerung”. Das Ergebnis dieses intensiven Prozesses ist ein höchst kreatives und einnehmendes Album geworden, dessen packende musikalische Reise schließlich in der “Orphic Hymn” gipfelt, einer innigen Vokalkomposition, deren Farben rein und strahlend zum Tragen kommen. So führt der Weg aus der Dunkelheit musikalisch ins hell leuchtende Licht.