Grigory Sokolov ist ein Rätsel. Man weiß kaum etwas über das Klaviergenie, das sich in der Öffentlichkeit eher rar macht. Mit umso größerer Spannung wird sein Album “The Salzburg Recital” erwartet, das am 16. Januar 2015 erscheint und seine erste Veröffentlichung seit fast 20 Jahren ist. Das Werk ist ein Live-Mitschnitt von einem Auftritt Sokolovs bei den Salzburger Festspielen 2008. Man kann ihn hier in poetischer Vollendung Mozart, Chopin, Skrjabin, Rameau und Bach spielen hören.
Doch wer ist dieser Ausnahmepianist, den die Deutsche Grammophon seit Oktober 2014 als Exklusivkünstler unter Vertrag hat und der von einigen Kennern der Szene als der größte Pianist der Gegenwart gehandelt wird? Das Klassik-Magazin Fono Forum hat sich auf die Spuren des großen Mannes begeben. Andreas Kunz und Mario-Felix Vogt legen in der nächsten Ausgabe des Blattes, die am 14. Januar erscheint, ein faszinierendes Portrait des Zauberers am Klavier vor.
Lesen Sie hier bereits einen Auszug dieser Hommage auf den russischen Pianisten.
Grundlage von Sokolovs Kunst ist seine phänomenale Technik. So wird man in Konzerten auch bei bekannten Werken mit ungeahnten Klangfarben oder dynamischen Schattierungen beschenkt; etwa, wenn am Ende des “Largo” von Chopins h-Moll-Sonate das wunderbar elegische Anfangsthema wieder auftaucht: Sokolov wird dann plötzlich (noch) zarter und lässt es in einem unfassbar feinen Pianissimo leuchten. In seinen besten Momenten entlockt Sokolov dem Flügel einen kantablen Klang, der so schwebend ist, dass er aller Erdenschwere enthoben scheint.
Dieser Pianist scheint einfach alles zu haben: Leidenschaft und Virtuosität der russischen Klavierschule paart sich mit deutschem Tiefsinn und Strukturbewusstsein. Auch in schnellen Läufen ist jeder Ton rund und hat Kern, trotz seines Intellekts klingt sein Spiel natürlich, nie ist etwas einer vordergründigen Wirkung wegen forciert. In Bachs c-Moll-Partita modelliert er durch Non-Legato-Spiel die polyphonen Stimmen überaus transparent, wobei er im Unterschied zu dem ihm verwandten Glenn Gould die Linien mehr atmen lässt, während Gould durch motorischen Drive stärker mitreißt. Beglückend seine Triller, die kein anderer Pianist genussvoller zelebriert. Bei romantischer Literatur wiederum zeigt er seine Meisterschaft, das Tempo sehr frei zu gestalten, sein mitunter extremes Rubato aber so erscheinen zu lassen, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Manchmal widmet sich Sokolov selten gespielten, scheinbar undankbaren Stücken und beweist durch seine Kunst, wie ignorant man bisher war: So und nicht anders muss das Werk klingen – oder?"