Im Dezember 2001 erhielt der Pianist, Keyboarder und Komponist Chick Corea anläßlich seines 60. Geburtstag die Gelegenheit, innerhalb von drei Wochen im New Yorker Jazzclub Blue Note mit neun unterschiedlichen Ensembles (drei Duos, drei Trios, einem Quartett, einem Quintett und einem Sextett) aufzutreten und einige der wichtigsten Stationen seiner Laufbahn noch einmal Revue passieren zu lassen. Von diesen Konzerten gibt es unter dem Titel “Rendezvous In New York” eine Doppel-CD/SACD sowie seit kurzem eine Box mit zehn DVDs.
In gewisser Hinsicht knüpft Corea nun auf seinem neuesten Album “The Ultimate Adventure” an diese einmaligen Live-Aufnahmen an, da er sich auch diesmal mit verschiedenen Besetzungen präsentiert sowie mit einigen Musikern, mit denen er zuletzt vor Jahrzehnten zusammengespielt hatte, im Studio Wiedervereinigung feierte. Anders als das musikalische Material von “Rendezvous In New York”, besteht das Repertoire von “The Ultimate Adventure” ausschließlich aus neuen Kompositionen Chick Coreas.
Der am 12. Juni 1942 als Armando Anthony Corea in Chelsea/Massachussetts geborene Chick erhielt schon als Vierjähriger Klavierunterricht, wobei er von klein auf zum musikalischen Eklektizismus erzogen wurde. Bereits im Kindesalter setzte er sich nicht nur mit der klassischen Musik von Beethoven und Mozart auseinander, sondern auch mit Swing, Bebop und Hard-Bop. Als große Vorbilder dienten Corea – wie auch anderen Pianisten seiner Generation – zuerst Bud Powell und Horace Silver, später vor allem Bill Evans und McCoy Tyner.
Mit 23 Jahren nahm Corea als Begleiter des Trompeters Blue Mitchell seine ersten eigenen Kompositionen auf. Oft spielte er in den frühen 60er Jahren auch mit Latin-Jazz-Größen wie Cal Tjader, Herbie Mann, Mongo Santamaria und Willie Bobo zusammen und entwickelte so recht früh sein Faible für lateinamerikanische Rhythmen. Sein erstes Album unter eigenem Namen, “Tones For Joan’s Bones”, erschien 1966 und verblüffte damals die Jazzwelt. Wie sein 1968 erschienenes Trio-Album “Now He Sings, Now He Sobs” ist “Tones For Joan’s Bones” längst ein absoluter Klassiker des Jazz.
1968 holte Miles Davis Chick Corea als Ersatz für Herbie Hancock in seine Band und nahm mit ihm im Laufe von drei Jahren so epochale Alben wie “Filles De Kilimanjaro”, “In A Silent Way”, “Bitches Brew” und “Miles Davis At The Fillmore” auf. Nach dem Ausstieg bei Miles bildete Chick Corea etwas überraschend mit Anthony Braxton, Dave Holland und Barry Altschul zunächst ein Ensemble namens Circle, das sich ganz der freien Improvisation verschrieb. Erst gegen Ende 1971 knüpfte er mit einer neugegründeten Band namens Return To Forever an die Fusionmusik an, die er in der Band von Miles mitkreiert hatte. In der Ursprungsbesetzung mit Saxophonist/Flötist Joe Farrell, Bassist Stanley Clarke, Perkussionist Airto Moreira und der Sängerin Flora Purim (mit der Corea die beiden Alben “Return To Forever” und “Light As A Feather” aufnahm) noch eher eine Latin-Jazz-Band, mauserte sich RTF nach einer Umbesetzung ab dem dritten Album “Hymn Of The Seventh Galaxy” (1973) zu einer der maßgeblichen Jazz-Rock-Bands neben Joe Zawinul und Wayne Shorters Weather Report, Herbie Hancocks Headhunters, John McLaughlins Mahavishnu Orchestra und Tony Williams' Lifetime. Nachdem er RTF 1975 aufgelöst hatte, präsentierte sich Chick Corea auf seinen Alben in munterem Wechsel mit immer wieder neuen (mal akustischen, mal elektrischen) Ensembles, als Piano-Solist oder mit Duo-Partnern wie Herbie Hancock oder Gary Burton.
Rein musikalisch knüpft der Keyboarder auf seinem neuen Opus “The Ultimate Adventure” an die Latin- und Fusion-Musik an, die er in den 70er Jahren mit seiner Band Return To Forever oder später auf Alben wie “My Spanish Heart” (1976) oder “Touchstone” (1982) gespielt hat. Beeinflußt wurde die Musik dieses Albums – wie die Titel einiger Stücke bereits verraten – aber auch durch die nordafrikanische und arabische Musik, zu der Chick Corea durch seine Auseinandersetzung mit dem spanischen Flamenco Zugang gewann. Neben dem ägyptische Perkussionist Hossam Ramzy sorgen vor allem zwei der besten spanischen Musiker, die einst im Ensemble von Paco de Lúcia spielten, für das authentische Flair: Saxophonist/Flötist Jorge Pardo und Bassist Carles Benavent. Für die lateinamerikanischen Rhythmen zeichnen wiederum die beiden brasilianischen Perkussionisten Airto Moreira und Rubem Dantas verantwortlich. Mit Moreira hatte Cick Corea zuletzt 1972 bei der Einspielung von “Light As A Feather” im Studio zusammengearbeitet. Noch weiter zurück liegt die letzte Kooperation mit dem Flötisten Hubert Laws, der Corea 1969 bei der Einspielung seines dritten Soloalbums “IS” begleitet hatte. Auch mit dem Schlagzeuger Steve Gadd war Corea schon seit 25 Jahren nicht mehr in einem Aufnahmestudio gewesen. Abgerundet wird das hochkarätige Line-Up von “The Ultimate Adventure” durch Frank Gambale an der Akustikgitarre, Tim Garland an Tenorsax und Baßklarinette, Flötist Steve Kujala sowie die Schlagzeuger Vinnie Colaiuta und Tom Brechtlein.